Dass wir das noch erleben. The Dillinger Escape Plan schreiben Songs! Schlau von ihnen, denn ein weiteres “Calculating Infinity” hätte niemand gebraucht. Das Dillinger-Debüt war derart extrem auf Technik und spielerisches Vermögen ausgelegt, dass Stagnation einfach keinen Sinn gemacht hätte. Wie praktisch, dass mit dem Ausstieg von Sänger Dimitri Minakakis ein Neuanfang unvermeidbar war. Und man kann vor “Miss Machine” nur den Hut ziehen, denn das Album überrascht in etlichen Momenten, macht aber immer wieder deutlich, wer hier am Werk ist. Dillinger Escape Plan haben die Ruhe als Stilmittel entdeckt, immer wieder findet man Momente, in denen man Songstrukturen überblicken kann. Neuzugang Greg Puciato erweist sich als absoluter Glücksgriff, der ansatzlos von Dennis Lyxzén-Gekreische zu Jamey Jasta-Gebelle umstellt und noch dazu für den Einzug der Melodie im DEP-Universum verantwortlich zeichnet. Der Typ kann singen! Natürlich gibt es in “Panasonic Youth”, “Sunshine The Werewolf” oder “Baby’s First Coffin” Polyrhythmik, Taktwahnsinn und Muckergewichse galore – keine Angst also. Es ist genug für alle da. “Miss Machine” ist eine ungemein spannende, mutige und selbstbewusste Platte, mit der The Dillinger Escape Plan sich kreativ gesehen eine Zukunft gesichert haben.
10/12 Christian Kruse
“Miss Machine” (darauf verwette ich meinen Dream-Theater-Backkatalog) ist eines jener Werke, das in Bälde von einem eingeweihten Zirkel bis aufs Messer verteidigt wird gegen die Banausen dieser Welt. Komme, was wolle: “Miss Machine” ist Kunst! “The greatest band the world has ever seen”, orakelt der NME. Nur hören wird den kruden Kram außer ein paar Musikern kein Aas. Denn alles an dieser Platte schreit nach Aspirin und Taschenrechner: Statt der elf enthaltenen zeigt der Player – hehe! – 99 Tracks an. Einer grölt wie irre. Gitarren schreddern krumme Takte. Ein Schlagzeug schlägt Purzelbäume. Modernisten seien sie, verraten uns die Apologeten. Vorreiter des dreimal rückwärts durch den Fleischwolf gedrehten Prog-Post-Jazz-Whatever-Hardcore – und als solche a priori vor unlauteren Anfeindungen gefeit. Zudem habe maestro d’absurdité Mike Patton Absolution erteilt. Ja und?! Deshalb kann ich diesen hochkomplexen Unfug trotzdem scheiße finden. Denn weder Selbstironie noch emotionale Feuerstürme adeln den zerebralen Schmerz. Nichts elektrisiert die Synapsen. Was bleibt, ist (mit Ausnahme des gelungenen “Unretrofied”) rasender Stillstand. Tausende von Noten – als habe die Band nach fünf Jahren Album-Abstinenz einen vorzeitigen Erguss. Kein Entrinnen aus diesem Hirnfick ohne Fluchtplan. Vielleicht leiht ja dieser Dillinger mir seinen.
4/12 Patrick Großmann
weitere Platten
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Under The Running Board (Reissue)
VÖ: 17.10.2008
Ire Works
VÖ: 09.11.2007
Irony Is A Dead Scene (EP)
VÖ: 27.08.2002
Calculating Infinity
VÖ: 28.09.1999