Celebration, Florida ist eine Stadt vom Reißbrett, gebaut von Disney-Konzern, in einem County, in dem die Steuern besonders günstig sind. Ein seelenloses, sauberes Fleckchen Erde. Heile Welt. Glückliche Familien. Mädchen so wie die Kleine auf dem Cover, die einen perfekten Spagat zeigt – dabei aber traurige Augen hat. Wer die Felice Brothers bislang als wurzelselige Traditionalisten im Auge hatte, muss umdenken: Auf ihrem fünften Album nehmen sie die Amerika-Projektion auseinander, die auf Kanälen wie Fox-News von stramm-tumben und fahnenwehenden Patrioten so sehr beschützt wird, als bedeuteten Mädchen in lila Kostümchen, die mit zehn einen Spagat beherrschen, tatsächlich die Rettung. Für dieses oft wütende, immer leidenschaftliche Projekt hat die Band mit ihrem Klangbild gebrochen. Es gibt viel Elektronik zu hören, Acid-Jazz-Ausflüge, Störgeräusche oder gruselige Effekte. Dass so was in die Hose gehen kann, weiß man. Doch hier funktioniert es. Zum Beispiel, wenn das nachdenkliche Container Ship in der Mitte kratzende Electrobeats kredenzt bekommt und zum Geisterschiff wird. Oder wenn das hymnische Ponzi zum Refrain in ein pulsierendes Stolpern gerät, bevor sich die Felice Brothers einen kurzen Ausflug in die 80s-Wave gönnen. Oft geht es um Leute, die für den schnellen Dollar und ein wenig Luxus alles hergeben, was ihnen mal wichtig war, und glauben, mit diesem Verhalten dem amerikanischen Traum gerecht zu werden. Die Platte wimmelt vor Symbolen: der Honda Civic, der mittelklassigste aller Mittelklassewagen; das Royal Hawaiian Hotel, einst ein Ort für die Schönsten und Reichsten; Oliver Stone, selbst Broker, bevor er Wall Street drehte. Man wünscht sich, Celebration, Florida käme samt Glossar mit Erklärungen zu den Texten. Aber auch ohne Fußnoten: Das Vergnügen ist immens.
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