The Halo Effect
Days Of The Lost
Text: Toby Schaper
Melodic Death Metal ist ja im Grunde ein Paradoxon, ging es doch beim ursprünglichen Death Metal vor allem um einen finsteren, verrotteten Sound und atonale Harmonien. Im südschwedischen Göteborg hat sich jedoch in den 90ern eine Szene gebildet, die als Antipode zu den brutal sägenden Bands aus Stockholm wie Entombed, Dismember oder Grave eine Art Easy-Listening-Version des Genres etabliert hat. Dafür legte sie klassische Metal-Riffs im Stil von Judas Priest tiefer und beschleunigte sie leicht, darüber kamen Twin-Gitarren, wie man sie von Iron Maiden oder Thin Lizzy kannte, und schließlich rückte man die Mischung durch einen nicht ganz so sumpfigen Fauchgesang in die Nähe von Death Metal. Dieser Ansatz hat Bands wie In Flames, Soilwork oder Dark Tranquillity einigen Erfolg gebracht – allerdings haben sich mittlerweile all diese Bands von ihrem ursprünglichen Klangbild entfernt und damit ein Vakuum hinterlassen, das nun von The Halo Effect, die ausschließlich aus ehemaligen In-Flames-Mitgliedern (fast 30 hat die Band im Laufe ihrer Geschichte bereits verschlissen) bestehen, kompetent gefüllt wird. Musikalisch machen sie weiter, wo In Flames zur Jahrtausendwende in Richtung Modern-, Groove- und Alternative-Metal abgebogen sind. Bei The Halo Effect gibt es diese Experimente nicht – getreu der Maxime “Don’t bore us, get to the chorus” enthält “Days Of The Lost” zehn maximal verdichtete Hymnen, die fast immer von einer packenden Leadgitarrenfigur eröffnet werden. Von der Bedrohlichkeit des ursprünglichen Death Metal ist hier allerdings wenig zu spüren, lediglich der stärkste Song, die Midtempo-Walze “Gateways”, schafft diese Verbindung. Ebenfalls leicht aus dem Schema fallen die Gothic-angehauchten Klargesangsrefrains von “In Broken Trust” und “A Truth Worth Lying For”. “Conditional” beginnt mit einer hübschen Folk-Melodie, “Last Of Our Kind” mit einem kleinen Streichersatz. Davon abgesehen regiert auf dem Album Effektivität: Ähnlich wie beim aktuellen Judas-Priest-Album “Firepower” ist jeder Song maximal eingedampft. Man wünschte sich gerne den ein oder anderen Ausbruch aus den straffen Arrangements, dass mal ein Melodiebogen etwas länger ausgespielt oder ein Song die Fünf-Minuten-Marke überschreiten würde. So bleibt ein Werk, das den klassischen Göteborg-Sound der 90er mit aktuellen Produktionsmöglichkeiten updatet und damit bei vielen Fans offene Türen einrennt.
weitere Platten
March Of The Unheard
VÖ: 10.01.2025