The Hives
The Death Of Randy Fitzsimmons
Wirklich weg waren The Hives nicht, bis auf eine Handvoll Singles sah es in Sachen neuer Musik seit 2012 aber mau aus. Glaubt man den Erzählungen der Band, liegt das daran, dass ihr Mentor Randy Fitzsimmons spurlos verschwunden ist. Eines Tages jedoch führt ein unauffälliger Nachruf in einer Lokalzeitung zum vermeintlichen Grab von ihm – die Suche danach wird im Video zur ersten Single “Bogus Operandi” dokumentiert – und damit zu den Demos, die nun das sechste Studioalbum der Hives bilden. So wunderbar schwurbelig die Hintergrundgeschichte zu “The Death Of Randy Fitzsimmons” auch ist, man kann sie getrost ignorieren, um einen Heidenspaß damit zu haben. Nur eines ist wichtig zu wissen: “Hier ist überhaupt nichts erwachsen oder so, denn wer zur Hölle will schon erwachsenen Rock’n’Roll?” Sehr guter Punkt, den Sänger Howlin’ Pelle Almqvist da macht – und bereits besagte erste Single zeigt, wie ernst es ihm und seinen Kumpanen damit ist.
“My personality is rotten all the way/ Like I said, like I said, like I said, like I said”, da ist er, der erste hartnäckige Ohrwurm, der sich nach dem breitbeinigen Intro nachhaltig festsetzt. Mit “Trapdoor Solution” folgen 64 Sekunden Punkrock und live garantiert blaue Flecken. Wenn man das hört, will man nicht glauben, dass das Album unter anderem in dem Studio entstanden ist, in dem ABBA ihre ersten Alben aufgenommen haben, und nicht etwa in einem schmuddeligen Keller. Dass Patrik Berger, der Produzent von Robyns “Dancing On My Own”, dem vielleicht besten Pop-Song der 2010er, den scharfkantigen Sound zu verantworten hat, ist eine weitere ulkige Randnotiz. Mit dem experimentierfreudigen, aber sehr durchwachsenen “Black And White Album” hat “The Death Of Randy Fitzsimmons” dennoch wenig gemein. Wenn sich ein “Rigor Mortis Radio” mit Handclaps und unverschämter Coolness um den Verstand groovt, ist das schlicht Songwriting-Qualität Made in Sweden. “I got these people eating out of the palm of my hand/ I got them answering everyone single one command/ I know you want my time, here’s my line/ Yeah, I got your offer: decline decline”, so ist das eben, wenn die Herrschaften ihrer Spielfreude freien Lauf lassen.
Ein neues “Veni Vidi Vicious” oder “Tyrannosaurus Hives” ist das Album allerdings nicht. Ein solches Vorhaben wäre vermutlich auch dazu verdammt gewesen, in die schwarz-weiße Hose zu gehen. Stattdessen nehmen The Hives die Zutaten, die sie groß gemacht haben, und berücksichtigen dabei, dass 20 Jahre eine sehr lange Zeit sind. Also darf ein “What Did I Ever Do To You?” an die “AM”–Arctic Monkeys erinnern und “Stick Up” zum Showdown bitten – beide garniert mit schwergängigen Bläsern. Ein amtlicher Freak-Out wie “The Bomb”, für das Gitarrist Nicholaus Arson ordentlich Twang auffährt, gehört auch dazu. Das nennt man wohl Rückkehr nach Maß. Übrigens gut zu wissen: Bis auf die Demotapes und ein paar Devotionalien war Fitzsimmons’ “Grab” leer – Fortsetzung folgt also?
Das steckt drin:
Mando Diao – “Boblikov’s Magical World” (2023, Playground)
Direkten Einfluss hatte das jüngste Werk ihrer Landsmänner mit Sicherheit nicht auf die Hives. Auffällig ist allerdings, wie auch Mando Diao mit einem lockeren inhaltlichen Rahmen ein Comeback feiern – in diesem Fall weg von feingeistiger Lyrik-Vertonung hin zu geschüttelten Hintern. Stellt sich nur die Frage, welche Gestalt zwielichtiger ist: Der schurkenhafte Boblikov oder Fitzsimmons?
The Black Keys – “El Camino” (2011, Nonesuch/Warner)
Ähnlich wie The Hives finden Dan Auerbach und Patrick Carney auf ihrem siebten Album die perfekte Balance zwischen dem, was man landläufig als Poppigkeit bezeichnen würde, und roher Angriffslust. Maßgeblichen Anteil hieran hat Produzent und Co-Writer Danger Mouse, der The Black Keys bereits zuvor einem Publikum außerhalb der Bluesrock-Bubble schmackhaft gemacht hatte.
The (International) Noise Conspiracy – “Armed Love” (2004, Burning Heart)
Dieses Projekt Dennis Lyxzéns wird in den Händen von Rick Rubin zu einem absoluten Highlight in Sachen schwedischem Garage Rock. Was Schmiss angeht, stehen The Hives anno 2023 dem in nichts nach, auch wenn ihr Sound allenfalls Spuren von Soul enthält. Dafür knallen ihre Punk-Songs mehr, auch wenn eine politische Komponente aus den Texten nur mit sehr viel Fantasie herauszulesen ist.
Zweitstimmen:
Jan Schwarzkamp: “Endlich wieder geile Großkotzigkeit, endlich wieder präzise gespielter Garage Rock, endlich wieder Hits, endlich wieder Hives. Ich habe die Band gar nicht großartig vermisst. Umso schöner, wenn man feststellt, wie gut es tut, dass sie zurück ist.”
Jonas Silbermann-Schön: “Von Reife keine Spur: Die Mittvierziger gehen den umgekehrten Weg und zerlegen ihre Garage mit fiesen Punksongs und reichlich Dreck unter den Fingernägeln. Die mittlerweile überlegene Produktion nehmen wir trotzdem gerne mit. Allein “Bogus Operandi” – ein neuer Klassiker.”
weitere Platten
Live At Third Man Records
VÖ: 25.09.2020
Lex Hives
VÖ: 01.06.2012
The Black And White Album
VÖ: 12.10.2007
Tyrannosaurus Hives
VÖ: 19.07.2004
Veni Vidi Vicious
VÖ: 10.04.2000
Barely Legal
VÖ: 22.09.1997