Auch mehr als 30 Jahre nach dem stilprägenden Debüt “Psychocandy” hat sich das Verhältnis der beiden Reid-Brüder kein bisschen verändert: “I hate my brother and he hates me/ That’s the way it’s supposed to be”. Mit diesen lakonischen Worten fasst der jüngere Bruder Jim im letzten Drittel des Comebackalbums die Hassliebe zwischen den einzigen beiden festen Mitgliedern von The Jesus And Mary Chain zusammen. Immerhin haben sich die beiden Streithähne soweit zusammengerauft, dass sie die 14 Songs mit Produzent Martin Glover in dessen Studio in Spanien einspielen konnten – sogar gleichzeitig im selben Raum. Beim Vorgänger 1998 waren Jim und William Reid bereits so zerstritten, dass sie sich im Studio abwechselten, weshalb man “Munki” entweder als bislang letztes Album von The Jesus And Mary Chain oder als erste Soloversuche der beiden Brüder ansehen kann. Wer deren Werdegang seitdem verfolgt hat, wird beim Blick auf die Tracklist von “Damage And Joy” enttäuscht sein. Die Hälfte der Songs sind neue Versionen bereits veröffentlichter Songs – “Amputation” beruht auf “Dead End Kids” von Jim Reid, “All Things Pass” war Teil des Soundtracks der Mystery-Serie “Heroes”, weitere Songs nahm der jüngere Reid mit “Sister Vanilla” oder “Freeheat” auf. Allerdings gibt es nicht viele Menschen, die die Karrieren der schottischen Brüder in den letzten 20 Jahren aufmerksam verfolgt haben – zumindest wenn man Jim Reid glaubt. Im Opener “Amputation” beklagt er, dass der Shoegaze von The Jesus And Mary Chain zwar zur Blaupause für zahllose junge Indiebands wurde, sich aber niemand mehr für das Original interessiere. Trotzdem profitiert er heute von den vielen Nacheiferern, denn dank ihnen ist der Sound der Schotten auch 2017 so allgegenwärtig, dass ihr Comeback trotz 20-jähriger Pause beinahe zeitgemäß klingt. “Damage And Joy” knüpft weniger an das Meisterwerk “Psychocandy” mit seinem ohrenbetäubenden, zugleich seltsam dünnen Feedbacklärm an, sondern stellt wie die fünf folgenden Alben die Bubblegum-Melodien und die naiv-romantischen Texte stärker in den Fokus – vor allem in den säuselnden Duetten mit Sky Ferreira, Isobel Campbell und Williams Lebensgefährtin Bernadette Denning, die im wunderschönen “Always Sad” mit Reid um die Wette schmachtet. Bei Zeilen wie “You ain’t like those other girls/ There’s nothing like you in this world” will man nicht glauben, dass zwei so verkrachte Typen für diese Musik verantwortlich sind.
weitere Platten
Glasgow Eyes
VÖ: 22.03.2024
Munki
VÖ: 02.06.1998
Darklands
VÖ: 31.08.1987
Psychocandy
VÖ: 18.11.1985