The Long Winters
Putting The Days To Bed
Text: André Boße
Platten der Long Winters haben einen schönen Effekt. Man bekommt immer den inneren Drang, wie wild durch die Wohnung zu hüpfen und die Songs des Mannes John Roderick mitzusingen, obwohl sich einem der Sinn der Texte auch bei genauerem Studium nicht erschließt. Beim Vorgänger “When I Pretend To Fall” führte das soweit, dass die Konzerte der Long Winters richtige Partys wurden und euphorische Überflieger wie “Cinnamon” oder “Scared Straight” in die Ruhmeshalle des Indierock aufgenommen wurden. Drei Jahre später gibt es endlich neue Songs, die Zwischendrin-EP “Ultimatum” war ein schwacher Trost und hierzulande kaum zu haben. Wer zur Vorbereitung noch mal die alten Platten hört, fühlt beim ersten Durchlauf von “Putting The Days To Bed” einen leichten Phantomschmerz. Irgendwas fehlt: der Überschwang, der dezente Wahnsinn. Das Album ist eine Nuance nachdenklicher, die Melodien schlagen Haken, Roderick singt nicht mehr über die Haut eines Mädchens, die nach Zimt schmeckt, sondern über noch weitaus abstraktere Dinge, zum Beispiel Teelöffel. Doch die Enttäuschung verfliegt, wenn man sich der Platte mit der nötigen Konzentration widmet. Keine Ahnung, wie Roderick das anstellt, aber mit jedem Durchlauf entschlüpft der Platte ein neues Lieblingsstück, weshalb man am Ende gar keines hervorheben, sondern das Album als solches über den grünen Klee loben möchte.