The Murder Capital
Blindness

Mit “Blindness” führen The Murder Capital ihren Sound konsequent weiter: weniger Post-Punk, mehr Drama.
In brüchiger Introspektion loten sie auf ihrem dritten Album die Grenzen zwischen Verletzlichkeit und Ego aus. “Blindness” fragt, wo Wahrnehmung endet und Selbstbetrug beginnt, wo Worte Bedeutung verlieren und Orientierung zur Herausforderung wird. Nach dem treibenden Auftakt mit “Moonshot” entfaltet “Can’t Pretend To Know” seine Dynamik: Drückender Bass, krumme Gitarren und stoischer Gesang, der an Alex Turner von den Arctic Monkeys erinnert, schrauben sich in unter drei Minuten immer weiter in die Höhe.
Diesen dichten, energetischen Arrangements stehen bluesige Balladen und piano-gestützte Stillleben gegenüber. James McGoverns Stimme, mal sanft, mal wütend, bleibt in ihrer schwelgerischen Dringlichkeit das emotionale Zentrum. Den erzählerischen Höhepunkt bildet “Love Of Country”. Sechs Minuten, in denen sich irische Heimatliebe und latenter Nationalismus schmerzhaft überkreuzen: “Could you blame me for mistaking/ Your love of country for hate of man?”, lässt die Ambivalenz von Patriotismus ohne Antworten zurück. The Murder Capital verlieren auf “Blindness” etwas von ihrer Rohheit, gewinnen dafür aber an atmosphärischer Weite. Bea Gottwald
Das Narrativ ist klar: raus aus dem 80er-Korsett, Post-Punk. “Blindness” schüttet das Kind aber mit dem Bade aus.
Kunstvoll zusammengewürfelt klang der Sound der Dubliner schon immer. Nach ihrer Zeit am BIMM Art College sind die musikalischen Kräfte der Band inzwischen verteilt über Irland, England und den Kontinent. Während “Gigi’s Recovery” 2023 noch wie ein kollektiv gekochtes Gericht aus der Studi-WG-Küche schmeckte, muss man sich die Fragmente der gegenwärtigen Bandidentität nun mühsam selbst zusammensuchen. Auf dem Grabbeltisch voller loser Bindfäden aus Krautrock, Folk und LoFi gelingt das nur bedingt.
Im Zweifel klappt es wegen der leicht nöligen, aber immer mittig-eindringlichen Stimme von James McGovern, der den eiernden Kreisel bei The Murder Capital gerade so auf die Nadel im Zentrum setzten kann. Wenn es schlimmer ausgeht, klingt “Blindness” wie zwei gleichzeitig plärrende Browsertabs mit Musik dahinter. “Moonshot” übertreibt es gewaltig mit dem Ansatz der geplanten Dissoziation. Die Gitarristen Damien Tuit und Cathal Roper kippen hier so viel Feedback-Pampe über die Produktion von Alternative-Spezialist John Congleton, dass das eigentlich gescheit arrangierte Indiematerial darin ersäuft. Martin Iordanidis
Das steckt drin: Arctic Monkeys, Deadletter, Shame
weitere Platten
Gigi's Recovery
VÖ: 20.01.2023
Live From BBC Maida Vale
VÖ: 06.05.2020
When I Have Fears
VÖ: 16.08.2019