The Murder Capital
When I Have Fears
Text: Jakob Uhlig
Dass The Murder Capital bereits Ende vergangenen Jahres ein Szene-Gesprächsthema waren, obwohl das irische Quintett zu diesem Zeitpunkt noch nicht eine einzige Single veröffentlicht hatte, hat durchaus seine Gründe – und die liegen vor allem in der betörenden Musik der Band. Wer sich der einnehmenden Erfahrung von “When I Have Fears” stellt, wird im grandiosen Opener “For Everything” von sphärischen Gitarren-Tremolos begrüßt, die eher ein flirrendes Black-Metal-Album als eine unterkühlte Post-Punk-Platte vermuten lassen. Wenn The Murder Capital diesen großmütigen Aufbau wenige Augenblicke später mit einem schnarrenden Garage-Riff mit voller Wucht durchbrechen, verflüchtigt sich dieser Eindruck aber wieder schnell. Die Grenzen zwischen ausladender Atmosphäre, aggressiver Direktheit und klirrender Reduktion verschwimmen auf “When I Have Fears” trotzdem immer wieder. Paradebeispiel dafür ist der Zweiteiler “Slowdance”, der sich, seinem Titel gemäß, wie ein langsam schleichendes Delirium anfühlt und zum Finale mit viel dramaturgischem Gefühl in eine langsam anschwellende Post-Rock-Klimax mündet. Am Schluss führt das Quintett ihr Momentum aber nicht in den endgültigen Ausbruch, sondern überträgt die Gitarrenmelodie auf die puristische Schönheit eines isoliert erklingenden Cellos. Dieses Wechselbad der Gefühle ist der springende Punkt, der die Wirkung von “When I Have Fears” so unbequem, aber eben auch verblüffend spannungsreich gestaltet. The Murder Capital beherrschen die Sprache der undurchsichtigen Oldschool-Post-Punks in Ehrfurcht vor Genre-Legenden wie Joy Division ebenso fließend wie die direkte Härte im hymnischen “More Is Less”, das wie eine dissonantere Erinnerung an das aktuelle Idles-Album klingt. Ihr Ende findet die Platte in der sperrigen Abschiedsklage “Love Love Love”, die im Kontrast zu ihrem betont schwelgerischen Titel zu den schabenden Noise-Elementen des Songs bitteren Sarkasmus entfaltet. Ein richtiges Ziel hat “When I Have Fears” aber nicht: Es hallt vor allem die ängstliche Verworrenheit der Platte nach, die zwischen den Zeilen viele verstörende Fragen stellt, ohne darauf befriedigende Antworten zu finden. Daran kann man verzweifeln. Oder man geht noch einmal auf die Reise mit dem fantastischen Debüt von The Murder Capital, um selbst nach einem Schlussstrich zu suchen.