The Mysterines
Afraid Of Tomorrows
In Großbritannien haben The Mysterines mit ihrem Debüt “Reeling” 2022 die Charts gestürmt, nur außerhalb erfuhr das Quartett aus Merseyside kaum Beachtung. Nicht etwa, weil ihr dunkler Alternative Rock über die britischen Grenzen hinaus keinen Anklang finden würde, sondern weil Frontfrau Lia Metcalfe, Schlagzeuger Paul Crilly, Bassist George Favager und Gitarrist Callum Thompson zunächst in England Fahrt aufnehmen wollten.
Der Plan ging auf: 2023 luden die Arctic Monkeys sie auf ihre UK-Tour ein, und The Mysterines standen plötzlich vor 60.000 Leuten auf der Bühne. Mit ihrem zweiten Album “Afraid Of Tomorrows” legen sie sich nun auch mit dem Rest der Welt an. Ihr kräftiger Mix aus Indierock und Grunge klingt überraschend abgeklärt, wuchtig und strahlt mit wummernden Basslinien und Metcalfes verzerrtem Gesang ständig Gefahr aus. Der Sound erinnert an Nirvana und Royal Blood, klingt aber auch nach Indierock-Vorbildern wie Blood Red Shoes und St. Vincent.
Metcalfe beschreibt das Album als “einen Spiegel, in dem du erkennst, dass du nichts weiter bist als ein formloses Wesen, das aus himmlischen Konstellationen besteht (…) Es ist eine Collage aus Verlorenem und grenzenloser Liebe.” Auf dem Debüt fantasierte die Sängerin noch mit schwarzem Humor über Gewalt und den Tod. Der Nachfolger lässt einen tieferen, düsteren Blick in ihre Psyche zu. Die Songs handeln von Schuldgefühlen, Paranoia oder von für den Verstand unerklärlichen Gefühlen und wirken fesselnd und faszinierend zugleich.
Der Opener “The Last Dance” klingt im Refrain hypnotisch, einnehmend und auf beängstigende Art verführerisch: “If only you’d take my hand”, wiederholt Metcalfe immer wieder mit furchteinflößender Stimme. “Stray” beginnt mit rhythmischen Gitarren- und Basslinien, dazu beschäftigt sich der Song mit den extremen Verhaltensweisen von streunenden, leidenden Menschen. Auch “Sink Ya Teeth” taucht mit einem schweren, tanzenden Bassriff in die “Brutalität wahrer Liebe” ein.
The Mysterines haben die Stücke in mehreren Sessions in ländlicher Abgeschiedenheit geschrieben, für die Aufnahmen taten sie sich mit Produzent und Grammy-Gewinner John Congleton in Los Angeles zusammen. Ihre Intensität ist enorm, aber auch ruhigere Töne gehen der Band gut von der Hand: Das akustische “Hawkmoon” bricht erst gegen Ende aus, “So Long” legt eine balladeske Seite offen und der Titelsong wagt einen Country-Ausflug.
Das steckt drin: Nirvana, Royal Blood, St. Vincent