The Notwist
Vertigo Days - Live From Alien Research Center
| Erschienen in: VISIONS Nr. 359
Den Acher-Brüdern und Cico Beck ist es auf Dauer zu langweilig, Songs Abend für Abend eins zu eins auf die Bühne zu bringen. Vermutlich eine Folge ihrer Jazzsozialisation, die nicht nur für die Bandmitglieder, sondern auch für die Hörenden ein Gewinn ist. Zwar folgt “Vertigo Days – Live From Alien Research Center” zunächst der Tracklist der Studioplatte, aber bereits “Into Love/Stars” weiten The Notwist, die hier von Andi Haberl, Karl Ivar Refseth, Max Punktezahl und Theresa Loibl zum Septett erweitert werden, auf fast die doppelte Länge aus. In den Mittelpunkt rückt der krautige Groove des Songs – was auch an vielen anderen Stellen der Platte passiert.
Zusätzlich haben The Notwist versucht, so wenig Samples und Klangkonserven wie möglich einzusetzen. Statt also wie in der Studioversion geschehen, den Notwist-Kosmos durch Gastmusiker auf verschiedenen Kontinenten zu erweitern, suche sie nun nach internen Lösungen. Das hat zur Folge, dass Markus Acher einige Gesangsparts übernehmen muss, die auf Vertigo Days noch eine:r der zahlreichen Gastsänger:innen beigesteuert hatte. Wer etwa mit der Studioversionen von “Oh Sweet Fire” wegen des Gesangs von Ben Lamar Gay fremdelt, bekommt nun die Chance, den Song neu schätzen zu lernen. Lediglich bei “Ship” verzichten The Notwist nicht auf den Gesang von Saya und lassen sie zum Duett mit Acher aus der Konserve auftreten. Bei “Into The Ice Age” wird in der Liveversion hingegen noch deutlicher, wie eng sich der Basslauf am Anfang des Songs an “Cannonball” von The Breeders orientiert, von dort aus aber einen völlig anderen Weg einschlägt, der zum tänzelnden Schlagzeuggroove viel Platz für die Bläser lässt.
Mehr noch als die schon nahezu perfekt sequenzierte Studioversion von “Vertigo Days“, bei der ein Song in den anderen nahezu nahtlos übergeht, klingt die Liveversion wie eine einzige große Suite, die The Notwist nutzen, um ihr Material musikalisch auf Hohlräume oder unbearbeitete Stellen abzuklopfen. Das hat, wie gesagt, etwas von Jazz, ohne dieses Element überzustrapazieren. Passenderweise endet die Platte mit “Loose Ends”. Ein paar dieser losen Enden verknüpfen The Notwist mit diesem Livealbum, es bleiben aber noch genügend übrig, um die Stücke auf der kommenden Tour in wieder anderen Versionen auf die Bühne zu bringen. Diese Band ist und bleibt ein Solitär in der deutschen Indierocklandschaft.
Das steckt drin: Andromeda Mega Express Orchestra, Radiohead, Tied And Tickled Trio
weitere Platten
Vertigo Days
VÖ: 29.01.2021
Ship (EP)
VÖ: 21.08.2020
Superheroes, Ghostvillains + Stuff
VÖ: 14.10.2016
The Messier Objects
VÖ: 06.02.2015
Close To The Glass
VÖ: 21.02.2014
The Devil, You + Me
VÖ: 02.05.2008
Neon Golden
VÖ: 14.01.2002
Shrink
VÖ: 08.09.1998
12
VÖ: 12.05.1995
Nook
VÖ: 01.09.1992
The Notwist
VÖ: 01.01.1990