Vollversiegelung ist für 2019 eingeplant, dann erscheint der zweite Teil von “Phanerozoic” – womit sich Hauptsongwriter Robin Staps übrigens keineswegs dem derzeit grassierenden Trend zur Alben-Zerstückelung (siehe Between The Buried And Me, This Will Destroy You, Black Space Riders) beugt, wenn überhaupt hat er ihn mitbegründet. Das neue The Ocean-Album ist wie die meisten seiner Vorgänger ein doppeltes Vergnügen, weil Staps seit jeher von Dualität fasziniert ist. Episodische Kontraste sind für sein Kollektiv eher Regel als Ausnahme, so simple wie hoch-tief oder atonal-harmonisch stellen da nur den Bildschirmschoner. Rein (geo)logisch hätte “Phanerozoic” eigentlich längst “Precambrian” (2007) folgen müssen, denn das bis heute andauernde Phanerozoikum ist das nächste große Erdzeitalter nach dem Präkambrium. Stattdessen gab es zunächst unterschiedliche Weltbilder auf “Heliocentric” / “Anthropocentric” und Tiefseekunde auf “Pelagial”. Wenigstens die Musik bleibt dem Ablauf der Erdgeschichte treu: Gleich zu Beginn führt “The Cambrian Explosion” die Melodie des “Precambrian”-Outros “Cryogenian” fort und lässt sie in “Cambrian II: Eternal Recurrence” aufgehen, dem ersten echten Brocken des Albums. Bläsersektionen, Cello, Versatzstücke von Jazz und Crust: Was The Ocean sinnbildlich vor Äonen etablierten, steht auch “Phanerozoic I” gut zu Gesicht, hauptsächlich läuft aber Post-Metal der Art, wie ihn Isis populär gemacht haben. Abschnittsweise sogar weniger wuchtiger Post-Rock als man vermuten würde. Sprich: Staps und Sänger Loïc Rossetti mögen Friedrich Nietzsches Philosophie der Ewigen Wiederkunft einfädeln ins Konzept einer Periode, in der Flora und Fauna entstanden und fünfmal Massenaussterben zum Opfer fielen – stänken die sieben Tracks musikalisch ab, wäre das alles für die Säbelzahnkatz. Zur Sicherung des Gegenteils zog man sich unter anderem nach Island zurück ins Studio von Sigur Rós, wo Schlagzeuger Paul Seidel seine phänomenalen Parts einspielte und dabei von Staps noch zurückgehalten wurde, wie es heißt. Ist aber weder der Version mit Gesang anzuhören noch der instrumentalen, die einigen Editionen beiliegt. Nach einer proppevollen Dreiviertelstunde, einschließlich Gastbeitrag von Jonas Renske (Katatonia), kommt das Ende unerwartet abrupt. “Phanerozoic I” ist bei aller Qualität eben unvollständig, das verstärkt aber nur das Sehnen nach “Phanerozoic II: Mesozoic/Cenozoic” (Titel-Vermutung), wenn wirklich die ersten Säbelzahnwesen auftreten.
weitere Platten
Holocene
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Phanerozoic Live
VÖ: 26.11.2021
Phanerozoic II: Mesozoic | Cenozoic
VÖ: 25.09.2020
Transcendental (Split-EP mit Mono)
VÖ: 23.10.2015
Pelagial
VÖ: 26.04.2013
Anthropocentric
VÖ: 05.11.2010
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Precambrian
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Aeolian
VÖ: 25.11.2005
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Fogdiver
VÖ: 01.09.2003