Thoreau-eske Wald-Idylle soll The Screenshots zum götterväterlichen Zorn bewegt haben, der auf ihrer Doppel-LP so schamlos am Parasympathikus des Wohlstands-Millennials rüttelt – vielleicht waren Susi Bumms, Dax Werner und Kurt Prödel auch bloß gelangweilt, weil es vor lauter Bäumen kein W-Lan gab. Beides scheint plausibel. Begründet ist der Ritterschlag des Feuilletons, wenn es dem Trio die schlaueste Gitarrenmusik Deutschlands andichtet. Die Gründe sind so vielfältig wie trivial: Wenn schon der Bandname die sinnentleerte Variante einer Momentaufnahme meint, dann liegt offen, dass ihre Mission darin besteht, Resonanz-abhängige Trugbilder des kuratierenden Social-Media-Spuks zu unterwandern. The Screenshots machen das mit einer Unverblümtheit, die dem Diskurspop-Etikett mehr als würdig ist. In Soundlandschaften aus kakophonischen Akkord-Infernos, reißbedrohten 77er-Bass-Saiten und tollwütigem Schlagzeug reichen kulturelle Intertexte von Rio-Reiser-Persiflagen wie in “Vorbei” bis zu Bossa-Nova-bewegten Ab in den Süden-Plagiaten wie in “Heimat”. Die intendierte Sparsamkeit der Texte, die im Zeichenpotential von Tweets hausieren gehen, trifft dabei zuverlässige Aussagen über die Aufmerksamkeitsspanne der Binge-Generation. Mehr noch: The Screenshots transkribieren rührende Signets für Nostalgie (“Cornetto Buttermilch-Zitrone”) in klargeistige Verdrossenheit. In einer Lebenswelt, die menschliche Interaktion nur noch als Option begreift, ist das ein Schlag in die Fresse der Belanglosigkeit. Hut ab!?
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VÖ: 16.10.2020