Church Road, das Label von Sammy Urwin und Justine Jones von Employed To Serve, wird immer mehr zur Anlaufstelle für Fans von Wurzelbehandlungen. Als hätten Amphetamine Reptile einen Wiedergänger in der 2020ern. Dazu passt, dass The St. Pierre Snake Invasion, die jüngste Veröffentlichung auf Church Road gerne mal an Helmet erinnern, in den 90ern die wichtigste Band auf AmRep. Aber auch der unerbittliche Noise von Unsane hat Spuren in ihrem Sound hinterlassen. “Galore” ist das dritte Album der Band seit 2015, das erste für Church Road und ohne Frage das bislang beste der Band um Frontmann Damien Sayell, der als Bassist Teil der jüngsten Mclusky-Reunion war.
Wie Helmet setzen The St. Pierre Snake Invasion Gitarren gerne rhythmisch ein. Die muskulösen Riffs bewegen sich oft um den meist simplen Beat herum, setzen mal dissonante, grelle Blitzlichter, ehe sie wieder in tiefste Tiefen hinabsteigen. Die Stärken der Band kommen besonders im Titelsong zum Tragen. Während Sayell, der meist zwischen Geschrei und Gesang hin- und herpendelt, sich in “Galore” auf die süßliche Variante seiner Stimme fokussiert, schwirren die Gitarren um ihn herum wie im Eastern “Die fliegende Guillotine“.
Auf textlicher Ebene beschäftigt sich Sayell vor allem mit seinem Problem, seine Wut zu kontrollieren. Mehrmals am Tag schaukelt sich das zu unkontrollierten Wutausbrüchen hoch – und man muss kein Psychologe sein, um in der Musik von The St. Pierre Snake Invasion, diesem Wechsel zwischen hochexplosiv und passiv-aggressiv, eine Entsprechung seiner psychischen Disposition zu finden. Einen echten Bruch in dieser aufreibenden Therapiesitzung gibt es erst im letzten Drittel, mit dem ruhigen, aber von einer belastenden Nervosität durchdrungenen Apex Prey mit Gastsängerin Aisling Whiting von der Artrock-Band Sang Froid. Das folgende “That There’s Fighting Talk” beginnt zunächst tanzbar mit einem Four-To-The-Floor-Beat und Sayells Sprechgesang, ehe eine Sirene durch den Song fegt.
Überhaupt ist dieses Stück exemplarisch für die gestaltwandelnde Art, mit der The St. Pierre Snake Invasion ihre Musik anlegen. Am Ende der etwas mehr als vier Minuten kratzt man sich fragend am Kopf: Wie sind wir denn hier gelandet? Diese Widerspenstigkeit gepaart mit Abenteuerlust und Forscherdrang lässt “Galore” zunächst spröde und unnahbar wirken, aber irgendwann hat man Sayells Mantra aus “Midas” verinnerlicht: “I don’t feel/ Nothing”.
Das steckt drin: Gilla Band, Helmet, Mclusky
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Caprice Enchanté
VÖ: 21.06.2019