The Strokes
The New Abnormal
Tatsächlich haben die New Yorker selbst dafür gesorgt, dass ein neues Strokes-Album 2020 nicht gerade wie ein Großereignis in die Musikwelt einschlägt: Seit man sie Anfang des Jahrtausends als “Retter des Rock” gehandelt hat – mehr Bürde als Ehrentitel – und sie mit drei Top-Platten ins Banddasein gestartet sind, haben sich die Strokes in Solo- und Seitenprojekten verzettelt. Als Folge dieser verschobenen Prioritäten und manchmal fehlgeleiteten Ambitionen haben sie sich gemeinsam kaum mehr abringen können als zwei mediokre Alben und eine EP, die alle keinen bleibenden Eindruck hinterlassen haben – nicht zuletzt, weil die Urheber sich weiter rarmachten. Die Strokes blieben eine Phantomband. Die Ironie ist: Ausgerechnet jetzt, wo sie in der Hinsicht wieder ernstmachen, wo sie immerhin ein paar Konzerte und Interviews zum neuen Album geben, bricht die Welt um sie herum zusammen. Murphys Gesetz, könnte man denken, und man muss den Strokes anrechnen, dass sie am Veröffentlichungsplan von “The New Abnormal” festgehalten haben, während die meisten Platten in den Sommer oder direkt auf Eis gelegt wurden.
So erscheint nun der Titel ihres Albums wie ein perfekt getimter Kommentar zum turbulenten Weltgeschehen. In Wirklichkeit zielt Sänger Casablancas damit aber “nur” auf den Klimawandel ab, dem er als E-Bike-Entwickler auch fernab der Kunst den Kampf ansagt. Schon daran zeigt sich, wie vielfältig die Einflüsse sind, die auf “The New Abnormal” wirken, ganz zu schweigen von den rein musikalischen: Der Chaos-Rock von Casablancas Zweitband The Voidz schlägt sich ebenso nieder wie die vergleichsweise sanftmütigen Solosongs von Albert Hammond Jr. Vor allem aber dominiert das kollektive Faible der fünf für Synthesizer und 80er-Pop. Der für solche Sounds nicht eben empfängliche Rick Rubin scheint da als Produzent wohl eher die Verantwortung für den richtigen Vibe im Studio getragen zu haben. Mit Erfolg: Zwischen Discobeats (“Eternal Summer”), loungigen Balladen (“At The Door”) und halsbrecherisch getauften New-Wave-Ausflügen (“Brooklyn Bridge To Chorus”) sucht man die Strokes der “Is This It”-Ära zwar vergebens. Doch “The New Abnormal” ist das erste Album der Band seit anderthalb Jahrzehnten, das nach Teamgeist klingt und insofern ein Versprechen für die Zukunft geben könnte. Wesentlich größere Überraschungen als diese Erkenntnis wird der Indierock in diesem Jahr wohl kaum bereithalten.
weitere Platten
Future Present Past (EP)
VÖ: 03.06.2016
Comedown Machine
VÖ: 22.03.2013
Angles
VÖ: 18.03.2011
First Impressions Of Earth
VÖ: 30.12.2005
Room On Fire
VÖ: 20.10.2003
Is This It
VÖ: 27.08.2001