Nur selten herrscht im Hause VISIONS derartige Einigkeit darüber, dass man es mit einem großartigen Album zu tun hat, wie im Falle des Debüts von The Used. Überraschen kann das nur auf den ersten Blick, denn tatsächlich gerät hier einiges aneinander, was die unterschiedlichsten Bedürfnisse befriedigt: Eine fähige Band trifft auf einen Ausnahme-Sänger, der die butterweichen Töne ebenso beherrscht wie das markerschütternde Gebrüll; eine ganze Reihe herausragender Songs trifft auf eine geradezu bombastische Produktion, die einen in ihrer Opulenz mitunter schon zu erschlagen droht. Genau hier liegt dann auch einer der wenigen Kritikpunkte an “The Used”, denn in manchen Momenten hat man den Eindruck, dass weniger tatsächlich mehr gewesen wäre. Ob es etwa wirklich notwendig war, mit Produzent und Goldfinger-Mann John Feldmann eigens nach London zu reisen, um Nick Ingman für eine Handvoll Songs ein Streich-Orchester arrangieren zu lassen, ist fraglich. Denn wo sich die Streicher in “Poetic Tragedy” noch recht organisch in den Song einfügen, wirken “On My Own” oder das eigentlich sehr schöne “Greener With The Scenery” etwas überfrachtet und hinterlassen den leicht schalen Nachgeschmack, dass hier auf Biegen und Brechen das Aufnahme-Budget ausgeschöpft werden sollte. Zum Glück überschattet dieses Manko nicht den Gesamteindruck des Albums, denn ansonsten reiht sich hier tatsächlich Songperle an Songperle. Gleich mit dem Opener “Maybe Memories” steckt man mitten im Geschehen und kann sich der fesselnden Kraft von The Used kaum noch entziehen. Mit einer Intensität, die beinahe an Thursday heran reicht, und einer satten Sound-Kulisse, die jeder New-Metal-Band alle Ehre machen würde, zelebriert die Band ihre kleinen zwischenmenschlichen Alltagsdramen und balanciert dabei punktgenau das passende Verhältnis von Emotion und Aggression aus. “Maybe Memories” ist ebenso wie “Say Days Ago”, “Noise And Kisses” oder das auch auf unserer All Areas-CD enthaltene “A Box Full Of Sharp Objects” eines der Aggro-Highlights des Albums, bei dem sich Frontmann Bert McCracken hemmungslos auskotzt, um dann doch wieder in schwelgende Melancholie zu verfallen. Bei “Buried Myself Alive” hingegen, einem der geradezu klassischen Songs des Albums, der wohl noch einige Jahre nachwirken wird, hält sich McCracken zurück und gerät nicht in wütende Raserei, sondern lässt dem Song seinen Pop-Appeal. Und dass sich auch ohne vielköpfiges Orchester im Rücken eine packende Ballade arrangieren lässt, zeigt dann ein Song wie “Blue And Yellow”, der sich erst mit der Zeit als einer der Höhepunkte des Albums herauskristallisiert. Überhaupt lässt sich sagen, dass sich “The Used” auch nach monatelangem Einsatz keinesfalls abnutzt, sondern sich stetig tiefer in einen hinein fräst. Bleibt nur zu hoffen, dass sich die Band trotz des frühen Erfolges ihre Authentizität bewahren kann und nicht in einen Elfenbeinturm des Höher, Breiter, Massenkompatibler gerät. Dann könnte es passieren, dass The Used irgendwann als eine der prägenden Bands dieses Jahrzehnts gelten.
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