The Waltz
Looking-Glass Self
Text: Jonas Silbermann-Schön
Doch bevor einem die Belgier weismachen wollen, dass sie einfach nur in die 90er verschossen sind, erklärt uns die Roboterstimme im Opener, was ein “Looking-Glass Self” überhaupt sein soll. Die Antwort – irgendwas zwischen Benimm-Kodex im Büro und der Suche nach Balance im Leben – wirft allerdings nur noch mehr Fragen auf. Und schwupps, befördert einen “All The Rage” in die Kunstaustellung von Black Midi, nur stilecht mit einer Kakofonie aus Math-Anfällen, dissonanten Gitarren und noch dissonanteren Urschreien von Frontmann Kevin Anne. Was er da schreit, ist kaum zu verstehen – das soll aber auch so sein, denn Teilzeit-Anthropologe Anne singt über eine makabre Spiegelwelt, die nur in seinem Schlangenhirn existiert. Dass dann “Dicktator” mit besoffenen Chipmunks-Singalongs startet, verwundert nicht weiter, würde der Song nicht schlagartig in düsteren 90s-Alternative zwischen Butthole Surfers, Sonic Youth und Smashing Pumpkins umschwenken. Nächster Twist: “Flowers” lockt mit freundlich-oszillierenden Synthies und zuckersüßen Strophen, bevor gezielte Tempowechsel einen dazu zwingen, das vermeintliche Pop-Bonbon direkt mit der Verpackung zu essen. Den beeindruckenden Facettenreichtum ihres Debüts untermauern The Waltz abschließend mit überdrehtem NoFi in “Schadenfreude” und dem Übergang von reduziertem Grunge in Shoegaze in “Necessary Evil”.