Tocotronic
Sag alles ab: The Best Of 1994-2020
Text: Florian Schneider
70 Songs aus 26 Jahren: Das klingt nicht nach einer konsequenten Kondensierung des eigenen Katalogs. Aber Tocotronic sind nicht dafür bekannt, Dinge so wie alle anderen zu machen. Ihr 25-jähriges Bestehen feierten sie 2018 mit der Veröffentlichung von “Die Unendlichkeit” und Songs, die in die eigene Vergangenheit blickten, ohne den Kontakt zur Gegenwart zu verlieren. 2019 legten sie dann ihre ersten vier Alben auf Vinyl neu auf – ergänzt um fragwürdig klingende Liveaufnahmen, von denen es auch auf “Sag alles ab” welche gibt. 2020, also 25 Jahre nach der Veröffentlichung ihres Debüts “Digital ist besser”, folgt nun der eigentliche Teil der Feierlichkeiten. Der sollte auch mit zwei Konzerten, je eins in Hamburg und Berlin, gefeiert werden, aber die Pandemie machte Tocotronic einen Strich durch die Rechnung. Die Konzerte sollen 2021 nachgeholt werden.
Der physische Teil des Jubiläums findet aber statt und das in vierfacher Ausführung. 70 Songs bietet das Earbook mit vier CDs, Kommentaren der Band zu jedem Song und unveröffentlichten Fotos. Die Doppel-CD und das Triple-Vinyl enthalten 36 Songs, die 18 Rarities gibt es als Doppel-LP. In allen Fällen bilden die Songs die Entwicklung der Band chronologisch ab. Das überlebensgroße “Drüben auf dem Hügel” macht den Anfang, es ist der erste Song, den Tocotronic je aufgenommen haben. Das im April digital veröffentlichte “Hoffnung”, hier erstmals physisch erhältlich, steht am Ende. Jedes Album ist vertreten, die Stücke hat die Band selbst gepickt, weshalb es nicht immer die offensichtlichen Hits sind, sondern eher die Stücke, mit denen sich ihre Evolution vom krachigen Lo-fi zum theatralisch ausstaffierten Indierock nachvollziehen lässt. “Freiburg” etwa fehlt. Es ist ein ehrfurchteinflößendes Kompendium ohne einen schwachen Song und trotzdem so vielfältig, wie es nur wenigen Bands über einen so langen Zeitraum gelingt.
Die 18 Raritäten auf der vierten CD werfen dagegen einzelne Schlaglichter auf eher unterschätzte Facetten der Band, ihren Humor etwa. Als Akustikstück wirkt “Mach es nicht selbst” wie das, was Tocotronic 1996 noch verachteten: Kleinkunst. Daneben gibt es eine interessante Instrumentalversion von “Prolog”, das unfertige Stück Aufruhr, das unterirdisch klingende, aber charmante “Total Folk” oder eine wunderbar reduzierte Version von “Höllenfahrt am Nachmittag”. Unterstützt von Joy Denalane wird “Kapitulation” zu einem Gospel, aufgenommen beim Release-Konzert zu “Die Unendlichkeit” im Berliner Planetarium, und 17 dampfen Tocotronic auf eine Länge von etwas mehr als acht Minuten ein.
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>20<
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