0,00 EUR

Es befinden sich keine Produkte im Warenkorb.

    Total Tommy
    Bruises

    VÖ: 29.11.2024 | Label: Pias
    Text: | Erschienen in: VISIONS Nr. 382
    Schönheit
    Total Tommy - Bruises

    Die Zeit zwischen Jugend und Erwachsensein ist bekanntlich eine Lebensphase, in der man sich reihenweise Blessuren einhandelt, vor allem von der emotionalen Sorte. Der daraus resultierende Schmerz zieht besonders fies. Voilá: “Bruises”.

    Okay, mit Mitte 20 ist Jess Holt alias Total Tommy eigentlich schon ein wenig zu alt fürs klassische Coming-of-age-Narrativ. Doch hat die – immer noch junge – Australierin in den vergangenen Jahren einige Umbrüche durchlebt: Sie hat sich getrennt, sich zu ihrer Queerness bekannt, ist von Melbourne nach Sydney gezogen und ihre heutige Partnerin kennengelernt. Mit den Stücken ihres Debütalbums könnte man wunderbar zahlreiche US-Highschool-Dramödien von den 90ern bis heute untermalen.

    Alles ist da: die Höhen, die Tiefen, der Überschwang, die Lust, die Wut, die Schwermut – alles gespiegelt in der jugendlichen Stimme Holts. Wenn diese im bissigen “Spider” einer nervenden Klette aus dem Freundeskreis die Meinung sagt, bollern und sägen die E-Gitarren wie zu Grunge-Zeiten, während sich Holt am Mikrofon die ein oder andere Nuance beim angepissten Tonfall einer Courtney Love abschaut. Leicht abgeschmirgelt wird die Kantigkeit nur von hintergründigem Shoegaze-Glühen. Häufiger noch dengeln die Gitarren mit der agilen Schwermut von 80er-Wave-Pop oder dem fuzzy Stakkato von 2000er-Pop-Punk.

    Beides kulminiert immer wieder in funkensprühenden Refrains, die aus der melancholischen Grundstimmung von Songs wie “Adeline”, eine mutmachende Botschaft an die junge Jess, oder “Losing Out”, eine angewiderte Abrechnung mit einem verheirateten Ex-Lover, von jetzt auf gleich allesumarmende Hymnen zaubern. Letztere qualifiziert sich sogar als musikalischer Brückenschlag zwischen My Bloody Valentine und Taylor Swift. Bei Swifties dürfte Holt auch mit “Ribs” super andocken, einer empathischen Ballade für eine magersüchtige Freundin. Und wäre Avril Lavigne eine Schippe lärmiger und cooler gewesen und hätte übers Highsein in einer fremden Stadt und lesbischen Sex gesungen, wären vielleicht das leichtfüßige “Amsterdam” und das alternative-rockige “Plus One” herausgekommen.

    So taumelt Holt durch die Wirrungen des Quasi-Erwachsenseins, wildert im Indierock der vergangenen vier Jahrzehnte und serviert das Ganze der Gen Z mit einem dicken Strauß schöner Pop-Schleifchen. Den Abschluss macht das schmerzhaft schöne Singer/Songwriter-Stück “Shark Attacks”. “All my friends are taking meds, trying to fix our heads”, singt Holt hier mit verschnupfter Stimme unter der Bettdecke. Und trifft damit den Zeitgeist dort, wo es weh tut.

    Das steckt drin: Alvvays, Hole, Avril Lavigne