Die fünf Engländer heben 2006 wieder mal mehr all das aufs Podest, was einstige Helden nichts Böses ahnend als Blaupause für die Nachwelt hinterlassen haben. Bösartige Frisuren in der Machart von Bon Jovis explodiertem Kopf-Frettchen zu “Slippery When Wet”-Zeiten? Ja! Schmierige Bühnenoutfits wie einst Mötley Crue? Ja! Songs zwischen Glam und Punk, unter der Schirmherrschaft der Sex Pistols, New York Dolls und Ramones? Ja! Mitgröl-und-Faust-in-die-Luft-reck-Faktor? Gefühlte 97,8 Prozent. Sprechen die Fakten also für den sofortigen Abstieg in die Regionalliga? Mitnichten, die werden auf die internationalen Plätze durchgereicht. Denn Towers Of London haben begriffen, dass mit dieser Aufstellung allein kein Pott Haarwichse zu gewinnen wäre, legten sie nicht drei Dinge an den Tag: überbordendes Selbstbewusstsein, ernsthaft gute Songs und ironisches Augenzwinkern. Da zieht natürlich die Frage, ob die Welt wirklich darauf gewartet hat, wie eine düstere Wolke am Horizont auf. Die kennt man ja auch von The Darkness. Und bis dahin darf ein jeder mit diesem Album seine frisch gekaufte Designer-Spandex-Buchse durchrocken. Das Hirn wird einfach mit einer Dose Haarspray ruhiggestellt.
Nils Klein – 8
Eine Band, deren Sänger beim Interview einen Gelben an die Wand spuckt, nach Koks plärrt, sich unter der Decke einen schrubbt und sich als der wildeste Glampunk aller Zeiten gibt, ist nur als Gesamtprodukt zu beurteilen. Als von der Großindustrie servierte rebellische Abziehfolie, die jedes RocknRoll-Klischee (Exzess, Drogen, Sex) durchdekliniert, mit dem arroganten Schnodderschmutz britischen 77er-Punks und aufdringlichen Mitgrölhooks paart und ein paar neue Idole in den Raum stellt, die doch nur uralt sind. Wie müde, langweilig, berechenbar und platt ist es eigentlich, im Jahr 2006 immer noch einen Begriff von Rebellion zu zelebrieren, der sich im asozialen Männerkult von Saufen, Ficken und Pöbeln erschöpft und musikalisch lediglich in Anspruch nehmen kann, die “dreckige” Tradition von Punk und Rock weiterzutragen, die sich stolz vom sportlichen, sauber produzierten Milieu kalifornischer T-Shirt-Bands und spieltechnisch versierter Screamos abgrenzt. Doch wozu? Auch Rotzrock hat sein Merchandise. Wo die Hellacopters zu 100 Prozent und die Backyard Babies mit Abstrichen einer neuen Gemütlichkeit frönen, die gegen die bemühte Rebellengeste der Towers Of London geradezu lässig wirkt, suchen im absoluten Underground Bands wie Japanther nach neuen Wegen, die rebellische Energie von Punk und Rock in unchauvinistische Wege zu lenken, erzeugen dabei mehr Energie als zwölf Londoner Türme auf einmal und werden nicht einmal bemerkt. Man könnte einen Gelben an die Wand spucken.
Oliver Uschmann – 3
weitere Platten
Fizzy Pop
VÖ: 31.10.2008