Frank Turner
Positive Songs For Negative People
Text: Britta Helm
Schön und gut, wie Frank Turner vor zwei Jahren mit “Tape Deck Heart” die ganze seriöse Nummer mit voller Indierock-Band, Formatradiosongs und R.E.M.-Anleihen abgezogen hat, aber länger als ein Album hält das keiner durch. “Positive Songs For Negative People” ist endlich der Moment, in dem man nach Hause kommt, den Ausgeh-BH unter dem T-Shirt herauswurstelt und sich mit dem billigsten Malzbier vom Kiosk nebenan vor Netflix packt. Hallelujah! Wie gut es ihm tut, wieder mit der Gitarre am Bühnenrand zu wippen und vor lauter Überschwang über Überschwangswörter wie “Bitch!” oder “Rejoice!” die ersten fünf Reihen spuckend voll zu nebeln, die eigene Stimme als Hauptinstrument glänzen zu lassen und alles andere drumherum zu sortieren. Natürlich ist das sechste Album des Engländers keine dieser spärlich ausgestatteten Singer/Songwriter-Veranstaltungen geworden, natürlich leistet er sich jedes Klavier, jeden freundlichen Schlagzeug-Grizzly und jedes prinzipielle Banjo, das er sich leisten will, aber hier geht es nicht um irgendeine fiktive Band, sondern einzig um die Abenteuer ihres Frontmanns, der sich jetzt endgültig nicht mehr um Klischees schert. Steigt er halt mit einem leise gezupften Stück darüber ein, wie er zuletzt nicht er selbst war, um dann in “Get Better” überzuleiten, diesen schreiend gutgelaunten Drei-Minuten-Song voller Rockrhythmus, Rockpiano und Rockbotschaft (Kann nur besser werden!), der mal sowas von er selbst ist. Stürzt er sich eben mit Anlauf in haufenweise schwungvolle Hymnen und Mitsing-Refrains, für die sich die ausgehungerte Meute in Clubs und Hallen drängt und sich dort nicht nur aus räumlicher Enge in den Armen hängt. Singt er eben ernsthaft von Liebesproblemen, als würden sich nicht auch abseits aller Hafenstädte reihenweise Menschen mit nautischen Tattoos an seiner Garderobe anstellen. Das Gute an “Positive Songs For Negative People” ist ja, dass man ihm genau das am besten abnehmen kann: die umweglosen Ohrwürmer, die riesige Lebenslust, die ganzen unverkrampft romantischen Adern und vor allem das Folkherz dahinter, das kein Identifikationsproblem mit dem Punk hat. Klar ist Turner einer der Rauen, aber er muss das nicht beweisen, indem er sich zu weit ins Altmodische lehnt und die ewiggleichen Cowboys beschwört; Woodie Guthrie hat schon oft genug im Grab getanzt. Stattdessen erinnert Frank Turner mit dem furios geklimperten “Out Of Breath” an die Dresden Dolls, schafft ausgerechnet mit einem Frauenvornamen-Song namens “Josephine” so etwas wie gefühligere Biffy Clyro, lehnt sich mit dem Sommer-Sonne-Autobahn-Kracher “Glorious You” fast wieder ins Erwachsenenradio, um die Frequenz dann doch lachend Bruce Springsteen zu überlassen, und endet mit dem traurigen, live eingespielten “Song For Josh”, ohne dass man vor Fremdscham weinen müsste. Steht ihm schon ziemlich gut, das Allzumenschliche.
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