“Time & Space” ist ein Wunderwerk, eine Zeitkapsel, ein eigenes kleines Universum. Was Turnstile, diese fünf stylishen Jungspunde aus dem Großraum Baltimore/DC/Ohio, in nur 25 Minuten und 15 Sekunden zusammenflicken, ist altklug und so talentiert umgesetzt, dass es fast schon dreist ist. Okay, Turnstile existieren als Band seit acht Jahren – aber damals waren sie noch Teenager, wenn auch musikalisch ziemlich ausgelastete. Auf zwei EPs als Oldschool-Hardcore-Band mit “Positive Mental Attitude” etabliert, folgt 2015 das Debütalbum “Nonstop Feeling”, auf dem Turnstile zeigen, dass sie zu mehr im Stande sind, sie Wert auf Details legen und ihre Ein- bis Dreiminüter mit originellen Ideen anreichern. Auf “Time & Space führen” sie das konsequent fort. Die Basis – und das trifft auch auf die Artworks und das Design ihres Merchandise zu – ist ein Stil-Amalgam aus Spät-80er/Früh-90er-Ikonen wie Snapcase, Leeway, Uniform Choice, Quicksand, Into Another, Battery, Inside Out, Black Train Jack und den schelmischen Murphy’s Law. Gerade Snapcase drängen sich auf, da die einpeitschende, aber wenig variable Stimme von Brendan Yates stark an deren Sänger Daryl Taberski erinnert. Dafür veredelt die soulige Stimme von Bassist Franz Lyons das vorab veröffentlichte “Moon”. Lyons sehnig-groovender Bass ist ohnehin ein essentielles Element im Turnstile-Sound. Den hat die Band mit Hardcore-Produzent-du-jour Will Yip in Szene gesetzt. Yip mixte, produzierte und programmierte. Ja, auch letzteres, denn viele der Songs beginnen oder enden mit kleinen Interludes und Spielereien, die Songs “Bomb” – ein Chant von Tanikka Meyers, der als Anspielung auf Sun Ras “Nuclear War” gewertet werden darf – und die Lounge-Muzak von “Disco” sind improvisierter Quatsch zur Erholung der Sprunggelenk zwischendurch. Innerhalb der Songs selbst gibt es ebenfalls kleinere Experimente, die den Oldschool-Charme angenehm aufweichen, etwa wenn “Big Smile” plötzlich eine Rock’n’Roll-Gitarre dazuholt und in “High Pressure” ein Little-Richard-Rock’n’Roll-Piano ertönt. Natürlich gibt es Gangshouts mit Gästen, interessanter sind aber die unterschwelligen Backgrounds, die manchmal fast psychedelischer Natur sind – so wie der Flanger-verzierte Shoegaze-Break in “Generator”. “Time & Space” ist eine undogmatische, verspielte Wundertüte von einer Hardcore-Platte, das Zeugnis einer Band, die jetzt zum großen Sprung ausholen kann.