Längst vorbei die Zeit, als sich Jeff Tweedy als genervter, von chronischen Schmerzen gepeinigter Mann präsentierte. Mittlerweile behauptet der Wilco-Chef “Love Is King” – und wird nicht rot dabei. An Tweedy zeigt sich exemplarisch, wie sich Amerika verändert hat: Viele haben keine Lust mehr, die Situation zu analysieren, so wie Wilco es auf einzigartige Weise mit Liedern wie “Ashes Of American Flags” getan haben. Die Karten liegen auf den Tisch, die Lager sind eingeteilt, die Spaltung unüberwindbar. Was bleibt anderes übrig, als sich an die eigenen Leute zu richten und Liebe zu propagieren? Eine Liebe, die – das weiß Jeff Tweedy aus Erfahrung – hilft, die tragischen Diagnosen und schlimmen Situationen zu überstehen, die sich einstellen, wenn man Mitte 50 ist. Die Wilco-Platte aus dem vergangenen Herbst hieß “Ode To Joy”, die Single “Love Is Everywhere (Beware)”. Tweedys Soloalben vor diesem trugen die Titel “Together At Last”, “Warm” und “Warmer” – es menschelt also, die Liebe regiert, man lebt zusammen, spendet sich Wärme. Jeff Tweedy, der große Skeptiker und auch Zyniker, hat sich zum Menschenfreund gewandelt. Die Songs von “Love Is King” klingen wie aus der Hüfte geschossen: Americana-Rock mit viel Luft, nicht mit Druck, sondern zottelig und frei gespielt – und zwar von Tweedy und seinen Söhnen Spencer und Sam. Draußen tobte die Pandemie, drinnen musizierten die Tweedys: Family Life Is King!