Um es klarzustellen: Überyou machen alles genau so wie die anderen aktuellen Punkbands, die die Hälfte des The-Fest-Billings ausmachen und gerne mit pulsierenden Adern auf angespannten und unrasierten Hälsen hinterm Flanellhemdkragen assoziiert werden, aus denen windschiefe Reibeisen-Hymnen poltern. Dazu beschwören sie Freundschaft, Leidenschaft, Liebe, Feuer und so weiter. Die Kunst der fünf Schweizer ist es, auf ihrem vierten Album mit eben genau diesen vertrauten – mancher würde sagen: ausgelutschten – Zutaten nicht zu langweilen, sondern über weite Strecken bestens zu unterhalten. Schon “Survivors” an zweiter Stelle findet nach einer eher uninspiriert gegrölten Strophe zu einem dieser Refrains, die einen zumindest für drei Minuten glauben lassen, dass von bärtigen Männern gespielter Punkrock doch die Welt retten kann. “Overdrive” legt direkt nach und hätte exakt so auf dem Hit-Album “Titles” von Red City Radio stattfinden können. Für Abwechslung (als käme es darauf an) sorgen kleine Variationen im Sound wie das RocknRoll-Gerüst von “Liabilities”. In diesen Momenten merkt man den Zürichern die auf Touren rund um die Welt gesammelten Erfahrungen an. Davon, dass Überyou eigentlich nur eine Feierabendband sind, die sich mit ausgestreckten Ellenbögen zwischen Regeljobs und Alltag quetschen muss, zeugt nur der Albumtitel. Und ihr Label Gunner bezeugt mit “Night Shifts” mal wieder seinen exzellenten Geschmack beim Picken der wenigen Rosinen in einem überfüllten, leicht muffig gewordenen Genre.
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