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    Van Holzen
    Aus der Ferne

    VÖ: 12.11.2021 | Label: OMN/Rough Trade
    Text: | Erschienen in: VISIONS Nr. 345
    Schönheit
    Van Holzen - Aus der Ferne

    Van Holzen setzen auf weniger Köche, die im Bandbrei rühren, und verfügen im Gegensatz zum oft etwas unschlüssigen Vorgänger Regen über ein ganz neues Selbstverständnis.

    „Schreib mir in die Hand, wer du sein willst, ich mach es wahr“, säuselt der Flaschengeist im Opener “Gini” mit bedrohlichem Unterton zu dominanter Gitarre, knarzendem Bass und druckvollem Schlagzeug. Nach zwei Alben bei einem Majorlabel weiß das Alternative-Trio mittlerweile, dass manches, was zu schön klingt, um wahr zu sein, es einfach nicht ist. Der “Gini”, den die Ulmer hier heraufbeschwören, ist ganz klar ein übler Blender, der sich hinter mächtigen Riffs à la Queens Of The Stone Age und einem druckvollen Schlagzeug mit rauem Industrial-Sound im Zwielicht herumdrückt. Das ruhige “Gras”, zwei Songs später, stellt sich dann zu entspannten Gitarren-Akkorden ganz deutlich gegen den Social-Media-Herdentrieb: „Wenn ich oben bin, geht’s mir wunderbar/ Doch ich vergleiche mich mit euch und eurem Kram“, singt Florian Kiesling, während der Song sich nach dem treibenden Opener überraschenderweise eher in Richtung Weezers “Say It Ain’t So” entwickelt, statt zum nächsten fetten Gitarrenbrett zu mutieren. Einfach ist es nicht, sich aus diesem Glauben-statt-Denken-Trend rauszunehmen, wie auch Kiesling in Zeilen wie „Es fällt mir schwer, einfach nur, weil ich will, ich selbst zu sein“ erkennt. Ein schlichter Satz, in dem eine der schwersten Aufgaben der heutigen Gesellschaft steckt. Noch deutlicher wird diese Kritik im dystopischen “Computer”: Es sind nicht nur Worte wie „Da ist ein blinder Fleck, wo vorher noch Menschen waren. Ich melde mich an und betrink mich mit Größenwahn“, die davon zeugen, dass Van Holzen sich im Songwriting weiterentwickelt haben. Auch der Platz, den die drei Schwaben für den pulsierenden Bass von Jonas Schramm und das besessene Schlagzeug von Daniel Kotitschke freilassen, ist neu und bereichert die Songs auf Aus der Ferne ungemein. Fast schon humoristisch wirkt dann der Text zu Hirn: „Irgendwo da, vielleicht unter der Bar?“, sucht Kiesling nach seinem verlorenen Hirn, als hätte er seine Autoschlüssel verlegt. „Ist okay, ich überlass es dir. Es denkt mir sowieso viel zu viel“, stellt er nach weiterer vergeblicher Suche fest. Beim Ausmisten des Kleiderschranks sagt man schließlich auch, alles was man ein Jahr nicht genutzt hat, kann im Grunde weg. Diese Art des schwarzen Humors hat dann fast die Qualität von Die Ärzte, angereichert allerdings mit einer Melancholie, die auch Tocotronic gerne nutzen. Mit “Aus der Ferne” machen Van Holzen einen lohnenden Schritt zurück nach vorne.

    Das steckt drin: Queens Of The Stone Age, Tocotronic, Weezer

    weitere Platten

    Regen

    VÖ: 26.04.2019

    Anomalie

    VÖ: 03.03.2017

    Van Holzen (EP)

    VÖ: 15.07.2016