Vennart
In The Dead, Dead Wood
Text: Carsten Sandkämper | Erschienen in: VISIONS Nr. 333
In ersten Reaktionen auf die plötzliche Veröffentlichung von “In The Dead, Dead Wood” via Bandcamp und Vennarts Webseite ist so oft von einem “Meisterwerk” die Rede, dass einem schwindelig wird. Schließlich war bereits Vennarts bislang letzter Wurf ein furioses Album. Was also kann “In The Dead, Dead Wood”, das es umgehend zum neuen Vennart-Gold-Standard wird? Kurz gesagt, er hat sich auf das Prinzip Rocksong besonnen. Seine Freude an komplexen und bekloppten musikalischen Ideen in allen Ehren, auf dieser Platte regiert das Nachvollziehbare. Am schönsten drängt sich diese Prämisse gleich im zweiten Stück des Albums, “Super Sleuth”, auf, das im Gestus von Queens Of The Stone Age knietief im Bluesrock watet. Was Vennarts Herangehensweise hingegen über alle Zweifel erhebt, ist seine absolut überirdische, teilweise absurd fette Produktion, die jedes seiner Stücke körperlich spürbar aufbläst. Spätestens im hymnischen “Lancelot”, dessen Finale auf anrührende Weise “Big Ship” der Cardiacs zitiert, bäumt sich die Platte zu ihrer ganzen Größe auf. “Weight In Gold” hat nach der bedrohlichen Soundcollage im Titelstück die Funktion des Brückenschlags zwischen Vennarts Vergangenheit mit Oceansize und seiner ungebrochenen Liebe zum psychedelischen Rock von Freunden wie Amplifier. Und wenn er als Live-Gitarrist von Biffy Clyro eines gelernt hat, dann wie man Stücke fürs Stadion schreibt. Während “Mourning On The Range” rätselhaft oft seine Form wandelt und eine Art Country-Prog aus der Taufe hebt, nimmt Vennart im letzten Stück des Albums hinter einer majestätischen Wall-of-noise Abschied von einem unfassbar beschissenen Jahr. Und das ist keine aus der Fantasielosigkeit des Autoren geborene Formulierung, es sind Vennarts eigene Worte. “In The Dead, Dead Wood” entstand nämlich einerseits im ersten britischen Lockdown, andererseits schmeißt Vennart es ganz bewusst jetzt unters Volk, denn (nicht nur) seine Fans brauchen diese Art emotionaler Musik, durch die sie fühlen können, was ihnen an tatsächlichen Umarmungen verwehrt bleibt. “Forc In The Road” steht mit zwölf Minuten im Tracklisting, zerfällt jedoch in zwei Stücke. Mit beiden gibt Vennart einen kleinen Einblick in seine Seele. Während in den letzten Akkorden des einen die Gitarre Kate Bushs “Running Up That Hill” zitiert, zollt Vennart mit dem schunkeligen Hidden Track “Concierge” seinem Freund und Cardiacs-Frontmann Tim Smith Respekt, der im Juli 2020 gestorben ist.
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