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    Vennart
    To Cure A Blizzard Upon A Plastic Sea

    VÖ: 14.09.2018 | Label: Medium Format/VISIONS
    Text: | Erschienen in: VISIONS Nr. 307
    Schönheit
    Vennart - To Cure A Blizzard Upon A Plastic Sea

    Als Gedichtband würde Mike Vennarts zweites Soloalbum Preise abräumen, als Musikalbum wird es wohl ein Dasein am Rand der Rockgemeinschaft fristen. Warum das zwingend anders sein sollte, erklären wir hier. Ein Plädoyer.

    Für alle, die es noch nicht mitbekommen haben: Vennart ist ein notorischer Witzbold. Er liebt die Cardiacs, eine der originärsten Bands der Welt, die Rockmusik macht wie andere absurdes Theater: plötzliche Wendungen, Dadaismus, manchmal Komplexität an der Grenze des Zumutbaren. Versteht nicht jeder, macht aber nix, denn der kleine Kreis Eingeweihter lacht sich scheckig und liebt den Stückeschreiber und die Darsteller für ihre Nischenkunst mit Herz und Charakter. Der früh ergraute Vennart kann sich also identifizieren mit dem sehr englischen Prog-Punk-Irgendwas der Cardiacs. Wer zu den Glücklichen gehört, die ihn jemals als Frontmann von Oceansize erlebt haben, könnte zunächst befremdet gewesen sein vom skurrilen Humor auf dem ersten Soloalbum “The Demon Joke” (2015), dabei lebte der Sänger mit der unverwechselbaren Stimme nur seine neu gewonnene Freiheit aus. Frohsinn war bei Oceansize per Dekret von Bassist und Schlagzeuger verboten, Dur-Harmonien dementsprechend keine Option. Als Live-Gitarrist von Biffy Clyro ohne Songwriting-Pflichten atmete Vennart durch und schnupperte dabei Pop, wie schon einige Momente auf “The Demon Joke” zeigten, einem Album, dem man höchstens vorwerfen konnte, dass es kein geschlossenes Soundbild hatte. “To Cure A Blizzard Upon A Plastic Sea” hat eins. Hier hängt ein Stück am anderen, hier groovt es sagenhaft im eigentlich untanzbaren 11/8-Takt, hier führen hochbefriedigend abstrakte Textkonstruktionen in unerwartet eingängige Refrains. Zur Seite stehen Vennart in seiner Indie-Unternehmung die befreundeten Ex-Oceansize-Gitarristen und -Keyboarder Steve Durose (nun bei Amplifier) und Richard “Gambler” Ingram, man kann also getrost vermuten, dass so Oceansize als Trio geklungen hätten. Kompositorisch ist das überdurchschnittlich: Adrenalin fließt, wenn Vennart im Break von “Donkey Kong” dreimal laut “Honesty!” schreit und alle Instrumente genau im richtigen Moment wieder einsetzen; Glückseligkeit kommt auf, wenn er im zweiten Refrain von “Friends Don’t Owe” fast lachen muss; ins Sigur Rós-affine Herz zielt die Bläsersektion der Coda von “That’s Not Entertainment”. Ruhepole wie das zauberhafte “Into The Wave” weben Abwechslung ein, das Madchester-Experiment “Spider Bones” und der Synthie-Overload “Sentientia” sind gewöhnungsbedürftig, zeigen aber nur, wie weit Vennart zu gehen bereit ist für seine künstlerische Integrität und eine Song-Halbwertszeit mit dem Wert von Radium-226.

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