Kann man eine Platte wie diese überhaupt nach VISIONS-Maßstäben bewerten? Die objektive Antwort lautet sicher nein.
Aber so einfach können wir es uns an dieser Stelle nicht machen, standen Virginia Jetzt! mit vergangenen Alben doch immer mit einem Fuß, wenn auch später nur auf Zehenspitzen, auf VISIONS-relevantem Boden. Vorweg: Das ist bei “Blühende Landschaften” nicht mehr der Fall. Kein Stück. Nicht, dass bei den Wahlberlinern der Grad zwischen Popsong und Schlagerschmonzette nicht ohnehin seit jeher ein besonders schmaler gewesen wäre, doch nie waren ihre Alben so konsequent wie ihr viertes. Das ist nämlich Popmusik im reinsten Sinne des Wortes: Kleine, unkomplizierte Songs mit Texten über Liebe und hübschen Melodien, die nicht selten Hitpotenzial mitbringen. Denn man kann den Songs, insbesondere den Texten auf “Blühende Landschaften” vorwerfen, was man will – sie funktionieren. Für das, was sie sind. Nicht umsonst half Stefan Zauner von der Münchener Freiheit (genau, die von “Ohne Dich”) beim Arrangieren einiger Songs. Da muss man schon Eier in der Hose haben, um so jemanden an seine Lieder zu lassen. Denn ähnlich wie “Ohne Dich” funktionieren auch die besten Songs auf “Landschaften”: Sie sind Pop, sie triefen vor kitschigem Pathos, doch man kriegt die Melodien nicht mehr aus dem Hirn. Und dann doch lieber diese Songs im Formatradio als die verfluchten Silbermond.
7/12 hauke hackstein
Der böse Fluch der blühenden Landschaften. Damit hat sich schon ein anderer Deutscher aus dem Fenster gelehnt.
Was macht man mit einem Album, auf dem “Mit dir auf einem Stück Holz, im Meer bei rauem Wind/ Dort will ich sein, weil Liebe dort beginnt” gesungen wird? Man macht es aus. Solche Plattitüden mögen Pop-Prediger vielleicht als neue Romantik deklarieren, um Diskurse darüber auszubreiten, wieso und weshalb das seine Berechtigung hat. Für den Moment ist dieses bombastische Schmalzgeschwurbel ein Ärgernis sondergleichen. Virginia Jetzt! haben einen Husarenstreich gelandet. Die Radiorotation der Schlagersender ist ihnen gewiss, die GEMA wird reinlaufen. Dank eines Albums, das Idole verehrt, die einem die Magensäure ins Ansatzrohr pressen: Münchener Freiheit, Nino DAngelo – da werden Emotionen geweckt. Solche, die nach “Rain In Blood” schreien. Man könnte wohlwollend sagen, dass es in Deutschland auch einen respektablen Markt für unironische Schlager-Pop-Musik gibt. Aber dann, Virginia Jetzt!, lasst es uns doch bitte so machen: Ihr fahrt auf allen Kaffeefahrten und Tanztees der Republik mit, und wir hören bitte nie wieder voneinander. Es wird Menschen geben, die sich über “Blühende Landschaften” freuen, es wird ja mittlerweile jeder Fetisch wertfrei bedient. Wir aber halten es mit dem einzigen Satz auf dieser Platte, den man unterschreiben möchte: “Es tut noch weh (…), und es gibt kein Happyend.”
3/12 nils klein
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