Wayste
The Flesh And Blood
Text: Daniel Welsch
Es sind Momente wie die fünf Sekunden Stille im ersten Drittel von “The Great Disguise”, die beweisen, dass sich Wayste auf ihrem Debütalbum nicht von blinder Wut leiten lassen, sondern im Gegenteil äußerst planvoll vorgehen. Fünf Sekunden, in denen das Trio noch einmal tief Luft holt, bevor es sich ins Chaos stürzt. Auch die vielen rhythmischen Kehrtwenden des fulminanten Openers “I And You” klingen zunächst, als würde die Band aus Leipzig zornestrunken umhertorkeln, doch dafür sind die musikalischen Manöver viel zu präzise. Stattdessen schlagen Wayste all diese Haken, weil sie sich eingeengt fühlen. Deshalb ist der düstere Hardcore auf “The Flesh And Blood” zwar zerstörerisch, doch darin liegt eine produktive Kraft. Er will mit aller Macht Mauern einreißen, aus der Enge befreien. Wenn Wayste auf Wände einprügeln, dann nicht aus Selbsthass, sondern um sie zum Einsturz zu bringen. Blutig sind die Fingerknöchel am Ende trotzdem. Großen Anteil an diesem Gefühl der Enge hat wohl die Kindheit und Jugend der drei Musiker, die sie in Dörfern im sächsischen Hinterland verbracht haben, bedrängt von christlich-konservativen Moralvorstellungen. Sobald Wayste auf “The Flesh And Blood” das Tempo drosseln, schlägt die befreiende Energie wie bei “Fall” in pure Verzweiflung oder bei “Elder” in tiefe Trauer um. Doch weder dann noch in den kurzen hymnischen Momenten wie bei “Mourn” büßt “The Flesh And Blood” Intensität ein. Selbst wenn Wayste kurz innehalten, nehmen sie nur Anlauf für den nächsten Sprung ins Chaos.
weitere Platten
No Innocence (EP)
VÖ: 23.09.2016