Andererseits: Wenn Rivers Cuomo nicht so wäre, wie er nun mal ist, wären Weezer auch nur eine Band unter tausenden – wenn überhaupt. Das grüne Album ist zwar der nominelle Nachfolger von “Pinkerton”, hat aber sonst wenig mit diesem Emo-Overkill-Klassiker gemein, und ist nicht mehr, aber eben auch nicht weniger, als ein lupenreines (Power-)Pop-Album, das wie schon das Debüt von Produzent Ric Ocasek ins rechte Sound-Licht gerückt wurde. Da passt es dann auch, dass Cuomo im Vorfeld die inhaltlichen Erwartungen dämpfte: “The lyrics on this album suck. This time I wanted to concentrate on other things.” Etwas überspitzt, wie ich finde, denn neben erstklassigen Bubblegum-I-wanna-hold-your-hand-Texten in bester early Beatles-Manier hat Cuomo zumindest beim abschließenden “O Girlfriend” wieder die Extraportion Leiden mit im Gepäck, die man ihm, ob nun gestellt oder nicht, gerne so und nicht anders abnimmt: “O Girlfriend, that’s the end / And I’m lost without your love / In your arms I was happy as a little boy could be”. Mal im Ernst: Wie stählern muss ein Herz sein, um von Zeilen wie diesen nicht ge- und berührt zu werden? Wer will hier nicht den bemitleidenswerten kleinen Sänger in seine Arme schließen, ihm zärtlich über den Kopf streichen und ein wohlwollendes “Och je, du Armer. Aber das wird schon wieder, glaub mir…” hauchen? Cuomo, der alte Herzensbrecher, weiß einfach, wie es geht. “Hash Pipe” hingegen, die erste Single, fällt am stärksten aus dem bekannten Weezer-Rahmen: As Stadion as it gets, wird hier einerseits gehardrockrifft und so vehement das Oooh-hu-oo-ho-ho-Background-Trumpfass gezogen, dass Jon Bon Jovi beinahe das Brustbehaarungs-Gras wachsen hört, andererseits setzen die extrem eunuchal vorgetragenen Strophen einen sperrigen Kontrapunkt. Ansonsten heißt es: Weezer as usual, und das ist keinen Deut negativ gemeint. Keine andere Band hat es dermaßen raus, die Grenze zwischen catchy und cheesy so leichtfüßig zu beackern, sich mit Ohrwürmern der scheinbar simpelsten Bauart Zugang zum Euphorie-Produktionszentrum verschaffen, und dabei auch bei extremem Gebrauch (gerade läuft die Platte zum 30. Mal…) nie Überdruss auszulösen. That’s what I call zeitlos, und wenn “Island In The Sun” kein Sommerhit wird, verliere ich den letzten Funken Glauben an das Gute. Die Analogien der Weezer-Geschichte zu “Star Wars” sind frappant: Der erste Teil als überraschend erfolgreiches “Here we are”-Statement, das altbekannte Motive in eine neue Zeit übersetzt – nur dass bei Weezer statt John Wayne Mr. Brian Wilson den geistigen Vater mimt. Dann der (kommerzielle) Backlash mit dem zweiten Teil, über den ein kluger “Clerk” namens Dante Hicks einmal sagte: “‘Empire’ had the better ending. I mean, Luke gets his hand cut off, finds out Vader’s his father, Han gets frozen and taken away by Boba Fett. It ends on such a down note. I mean, that’s what life is, a series of down endings.” Weise Worte, die ohne Probleme auch auf “Pinkerton” übertragen werden können. Und nun also das grüne Lichtschwert starring in “Die Rückkehr der Jedi-Ritter”. Hier entdröselt sich alles, fügen sich die losen Enden zusammen, und die Erkenntnis lautet: alles wird, nein: alles ist gut. Jetzt weiß ich auch, warum die Platte keinen Titel hat. “Album Of The Year” war nämlich schon vergeben…
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