So wie man von David-Gilmour-Gitarren oder von Kraftwerk-Synthesizern spricht, wird man die dichte Atmosphäre aus Keyboards, zwei Gitarren, Bass, Schlagzeug und Paul Murphys Stimme irgendwann womöglich nur noch Wintersleep-Atmosphäre nennen. Unnachahmlich und einnehmend ist diese auf “Hello Hum” zum Beispiel im Opener “Hum” (nach einem Fatboy-Slim-artigen Intro) zu hören und schwer zu erklären, wenn sich selbst die Band gerne über ihre Musik ausschweigt und sie einfach für sich stehen lässt. Wenn schon, dann kann man “Hello Hum” nur mit den vorangegangenen Platten erklären. Auf ihren ersten beiden Alben “Self-Titled” und “Untitled” tüftelte die vor ziemlich genau zehn Jahren gegründete Band noch an ihrem Sound, mit dem Ende 2007 veröffentlichten “Welcome To The Night Sky” hatte sie ihn zwischen New-Wave-Gitarren, Melancholie und Optimismus gefunden – mit einmaligen Songs wie “Dead Letter & The Infinite Yes” oder dem spät zum Hit gewachsenen “Weighty Ghost”, die man auf dem guten Nachfolger “New Inheritors”, Wintersleeps R.E.M.-Album, so nicht wieder fand. “Hello Hum” ist eine wunderbare Mischung aus beiden Platten und lässt die ohnehin kaum vorhandenen, verzichtbaren Dinge einfach weg. Um zu verstehen, hört man sich am besten das finale “Smoke” an: Der Song benötigt nur wenige Takte und hallende Worte von Murphys lässig gesungener Inbrunst, um nicht mehr los und sechs Minuten viel zu kurz erscheinen zu lassen. “Smoke, smoke in my body/ Smoke, smoke in the air”. Anders macht es “In Came The Flood”: Melodie und Refrain klingen aufbauend und haben Ohrwurmcharakter, der Text hingegen ist düster: “In came the flood, in came the flood/ And everything is as it was/ The vacant earth cold dawn out of bed/ The darkened sky, the same sky you’re dressed in”. Dabei ist es eigentlich auch egal, was Murphy singt, wenn Sound und Gesang so perfekt miteinander harmonieren. Dass man erneut nur auf Umwegen Zeuge dessen wird, lässt sich natürlich auf diese ungerechte Welt schieben. Ebenso wie Wintersleeps drittes Album “Welcome To The Night Sky”, das hierzulande rund anderthalb Jahre verspätet erschien, muss man nun erneut auf eine Deutschland-Veröffentlichung von “Hello Hum” warten oder zum Import greifen. Vermutlich sind Wintersleep und ihre Musik trotz sanfter Pop-Annäherungen immer noch zu verschroben und sperrig für viele Ohren. Hoffen wir für sie, dass ihnen ihre Einzigartigkeit nicht eines Tages zum Verhängnis wird. Es wäre zu schade.
weitere Platten
In The Land Of
VÖ: 29.03.2019
The Great Detachment
VÖ: 04.03.2016
New Inheritors
VÖ: 14.05.2010
Welcome To The Night Sky
VÖ: 06.02.2009
Untitled
VÖ: 15.02.2005
Wintersleep
VÖ: 01.06.2003