Wolf Alice
Blue Weekend
Text: Markus Hockenbrink / Anke Hügler
Pop, aber in gut. Wolf Alice haben den Willen zur Größe und bringen die entsprechenden Melodien mit. Es liegt etwas sehr Britisches in der Art und Weise, wie die Band um Sängerin Ellie Rowsell den Auftrag annimmt, mit ihrem dritten Album endlich die Spitze der Charts zu erklimmen. Ein bisschen frech, ein bisschen sozialkritisch, ein bisschen depri – das ist die Mischung, mit der man zur Konsens-Band werden und sich in der Öffentlichkeit festsetzen kann wie Fußpilz oder Coldplay. Nur, dass Wolf Alice wesentlich angenehmer und obendrein ausgesprochen geschickt sind. “Blue Weekend” bietet elf sehr abwechslungsreiche Songs, die ein dramatisches Auftreten gemeinsam haben. Die Uptempo-Songs “Play The Greatest Hits” und “Smile” sind sogar noch die schwächsten Stücke auf der Platte, die ungefähr dreimal so viele Melodien mitbringt wie Wolf Alices bislang letzte LP. Textlich mag es die Band gern leicht apokalyptisch. “The Last Man On Earth” könnte man sich zum Ende der Welt selbst vorsingen, “Delicious Things” verlegt denselben Anlass nach Los Angeles, wo eh jeder zweite dystopische Actionfilm spielt. Songs mit dem Titel “The Beach” sind gleich zweimal auf dem Album vertreten, aber auch da denkt man nicht an Strandurlaub, sondern an “Das letzte Ufer”.
8/12 Markus Hockenbrink
“Sensibel” halten Wolf Alice für ihr “perfect adjective”. Schade, dass man ihrem Album davon nichts anmerkt. Mangelnde Emotionalität kann man “Blue Weekend” nicht vorwerfen. Doch wo jede zweite Silbe mit einem Vibrato verziert, mit Chorälen aus Zweitstimmen dramatisiert und zur Empfindungsorgie aufgeblasen wird, da schlägt man eben auch zuverlässig leise Gefühle und empfindliche Gemüter in die Flucht. Natürlich gibt es noch diese andere Seite an Wolf Alice, der man im euphorischen Feuilleton schon mal die Rettung des britischen Alternative Rock zutraute. Eine nicht revolutionäre, aber doch beachtlich selbstbewusste Antwort auf derartige Erwartungen gibt “Play The Greatest Hits”, das Riot-Grrrl-Cheers zitiert, um sie textlich mit dem Lorem Ipsum eitler Post-Party-Plattitüden auszustopfen. In “Smile” bedient sich Sängerin Ellie Rowsell noch einmal am Rebellionsschatz der 90er, der bei klischierten Zack De La Rocha-Phrasierungen ein wenig geborgte Kante für die lyrische Selbstbeweihräucherung auftreiben soll. “You dont like me/ Well that isnt fucking relevant”, wird da ausgeteilt und dabei getrost ignoriert, dass Crossover noch andere Relevanzen kannte als das eigene Ego. Sensibel? Vielleicht doch nicht die perfekte Wortwahl für Wolf Alice.
5/12 Anke Hügler