Schon auf ihrem Debüt “Nord” haben die Franzosen 2006 mit Postrock, Doom und Black Metal experimentiert, damals noch mit Gesang. Ihr zweites Album “Ausserwelt” präsentierte die Band 2010 runderneuert und rein instrumental, aufgemotzt mit drei Gitarristen und zwei Drummern. Einer der Neuen im Kollektiv war Shiran von den ultra-zornigen Drone-Doomern Monarch!, zuständig für ultra-tiefe Akkorde und eine extra Portion Finsternis. In der Besetzung haben Year Of No Light in diesem Jahr ihren alternativen Score zu Carl Dreyers Film “Vampyr” von 1932 veröffentlicht, ein bedrohlich waberndes Drone-Meisterstück, das dem bildgewaltigen Horrorklassiker mehr als gerecht wird. Ihr neues Album “Tocsin” zeigt die Band fokussierter und wandlungsfähiger als auf Ausserwelt: Die düstere Grundstimmung bleibt, aber der Leerlauf ist auf ein Minimum reduziert. Jeder Song wächst organisch, entwickelt mitreißende und niemals kitschige Melodien, bleibt durchgängig spannend, ohne in beliebiges Ideen-Patchwork auszuarten. Wie Year Of No Light im Titelstück “Tocsin” ein schwermütiges Doom-Riff mit einer langsam und subtil eingepflegten Melodie für einen Moment ergreifend harmonisch aufgehen lassen, nur um im Anschluss in Sludge-Manier bösartig auszuteilen, das macht ihnen so schnell keiner nach. Der ungewöhnlichste und kürzeste Track “Géhenne” sticht durch sein fast schon poppiges Grundthema heraus und steigert sich in eine erhabene Blastbeat-Raserei – spätestens an dem Punkt ist die Frage nach der Notwendigkeit von zwei Drummern geklärt. Auch “Désolation” wartet mit Überraschungen auf, beginnt als tieftraurige Begräbniszeremonie, schwelgt für eine Weile in gemäßigtem Bombast und entschleunigt im Abgang die Apokalypse. Genau die tritt in “Stella Rectrix” dann doch noch ein, unterstützt von Furcht einflößenden Synthies und fast schon orchestralem Geriffe, das durch die aggressive Produktion noch an Masse gewinnt. War “Vampyr” noch der Soundtrack zum schaurig altmodischen Gruselstreifen, ist das hier die Untermalung eines imaginären Weltuntergangs-Szenarios von Roland Emmerich und David Lynch, in dem niemand überlebt. Die Ähnlichkeit des Cover-Artworks zum neuen – und ebenfalls großartigen – Master Musicians Of Bukkake-Album “Far West” ist kein Zufall: Beide Designs stammen vom Londoner Künstler Simon Fowler. Ein Glücksfall für Fans experimenteller Musik – beide Veröffentlichungen sind Pflichtkäufe und sehen im Plattenschrank außerdem spitze nebeneinander aus.
weitere Platten
Consolamentum
VÖ: 02.07.2021
Ausserwelt
VÖ: 07.05.2010