Zeal & Ardor
Greif
Das heißt allerdings nicht, dass man den Schöpfer nicht trotzdem weiterhin an seinen Songs erkennt, dafür hat Manuel Gagneux seine Duftmarke mit den drei Vorgängeralben sorgfältig genug gesetzt. Zudem verweisen gleich mehrere Interludes auf “Greif” auf die eigenen musikalischen Wurzeln. Neu ist, dass das einstige Ein-Mann-Projekt seine Tourband mit ins Studio nimmt. Nach sieben Jahren gemeinsamen Spielens ist man so weit zusammengewachsen, nun auch den kreativen Aufnahmeprozess zu teilen, was zu einer ganz neuen Fülle an Stimmfarben führt.
So greift der Opener “The Bird, The Lion And The Wildkin” mit ausladenden Metal-Gesten zunächst die Bedeutung des Titels auf: Der geht auf einen Brauch aus Gagneuxs Heimat Basel zurück, wo ein Fabelwesen einmal jährlich durch die Straßen der Stadt wandelt. Passend dazu sind auch die 14 neuen Songs mal lieblich, mal majestätisch, mal ungeheuerlich.
Schon im folgenden “Fend You Off” leitet ein liebliches Glockenspiel einen Song ein, der dann wieder in feingeschnitzten Metal übergeht, mehr eine unaufdringliche Version von Dream Theater als das irre Black-Metal-Biest, das noch auf den Vorgängern wütete. Das folgende “Kilonova” verstärkt diesen Eindruck. “Are You The Only One Now?” bezirzt mit verruchtem Singsang, dessen Melodie an den Refrain von Editors‘ “Munich” erinnert. “Clawing Out” frönt wieder tiefschwarzem Metal, wenn sich der Gesang erst in die unteren Tonlagen schraubt, dann klagt, faucht, flüstert und growlt, bevor sirenenhafte Soundeffekte die Dringlichkeit erhöhen und passend dazu das Tempo anzieht. Disease schlägt dann mit zirpenden Gitarren und zurückgelehntem Beat in eine ganz andere Richtung aus, ganz so, als wären nicht wenige Sekunden zuvor sämtliche Höllenkreise geöffnet worden. Spätestens mit der perlenden Ballade Solace lässt sich dem Album dann deutlich auch Pink Floyd‘sche Progression unterstellen.
Neben den Interludes bietet “Hide In Shade” einen weiteren Anker für jenen Sound, mit dem für Gagneux alles begann: Ein furioser Vorsänger weist den Weg, der Gospelchor antwortet, ein Black-Metal-Gewitter bricht herein. Von da aus verabschieden sich Zeal & Ardor mit dem abschließenden “To My Ilk” überraschend wieder ganz ruhig und besonnen, mit fast folkigem Gitarren-Picking. Mangelndes Angebot kann man Gagneux nicht unterstellen, bleibt abzuwarten, ob Greif nur ein lustvolles Wildern in anderen Gefilden oder der Beginn einer Evolution ist.
Das steckt drin: 1476, Cult Of Luna, Dream Theater
weitere Platten
Zeal & Ardor
VÖ: 11.02.2022
Wake Of A Nation (EP)
VÖ: 23.10.2020
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VÖ: 22.03.2019
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VÖ: 08.06.2018
Devil Is Fine
VÖ: 16.04.2016