Es war 1988, als der selbst gekrönte Tattooed Beat Messiah der staunenden Welt die gleichnamige Hardrock-Offenbarung schenkte und keinen Zweifel an seinem Status als High Priest Of Love, dafür aber etliche Münder offen stehen ließ. Markenzeichen waren die (textlichen) Ergüsse des Prime Movers – die schillernde Überdosis an Selbstherrlichkeit und Sexismus, ein Ozean triefender Klischees. Die Menschheit hatte ihren Lehrmeister in Sachen Coolness gefunden, das wusste man auf der Koks-Party in L.A. und beim Kleinstadt-Cruising im VW Scirocco. Nur eines hatte der Nuclear Kisser vergessen: Echte Rockstars verglühen so urplötzlich wie eine Sternschnuppe. Weil aber Unkraut nicht vergeht und mittlerweile Pfizer kleine blaue Pillen anbietet, glaubt Johnny B. Bad, noch immer den geübten Hüftstoß auf der Rücksitzbank zu beherrschen. Doch hier irrt der Sex Führer! Beteten vor 15 Jahren völlig zurecht alle Möchtegerns diesen Libido-driven Über-Weirdo an, herrscht heute Stille auf der Matratze und ein alter Mann klaut seine Riffs bei noch älteren. 2002 ist Zodiac Mindwarp nur noch ein erschlaffter Abklatsch seiner selbst. Die Lyrics ein unangenehmer Coitus interruptus, die Riffs voller Penisneid bei AC/DC (Shake, Fucked By Rock) und elsewhere abgeschaut. Jane In Blue ist ein urpeinlicher Schmachtfetzen und bei Helsinki Motorcycles brabbelt ein bekiffter Kosakenchor den Refrain. Kaum kraftvoller als zuletzt 1994, dafür aber einige Jahre älter als 1988, geht Zodiac (geboren 1958!) bei seiner Reanimation drauf. Ich weine vor einem Denkmal, das sich endgültig selbst demontiert hat. Gott habe ihn selig. He was Rock.
Kai Winn 4
Diese Platte ist ein Manifest! Ein Statement. Sie ist genau das, was der Titel verspricht – die Essenz des RocknRoll. Und das kann man durchaus wörtlich nehmen. Zodiac Mindwarp, der Sex Führer, der Skull Spark Joker und Love Dictator, der mit dem six shooting schizo psycho rod im Spielzeugland aus dicken Oberarmen, überdimensionalen Egos und sexuellen Überzeugungskräften, die weder Gnade kennen noch Widerspruch dulden, bedient sich erneut im Grebo-Baukasten der Musikgeschichte und mauert bunt und respektlos eine Trutzburg gegen den Zeitgeist. Damit ist er im selben Boot mit AC/DC, bei denen er sich für 20,000 Women gleich das komplette Back In Black-Riff auspumpt. Doch damit nicht genug, ganze Strecken des Albums klingen wie aus AC/DC-Riffs zusammengebaut – Wiedererkennungsmomente garantiert. Und in Jane In Blue vernagelt er gar Bowies Heroes zu einer Greaser-Ballade reinsten Stils. Vierzehn Jahre nach Tattooed Beat Messiah meldet sich Zodiac Mindwarp also nun zurück und ist so gut, wie man es nie zu hoffen gewagt hätte. Nachdem er in den letzten Jahren wahrscheinlich irgendwo auf einer Südseeinsel riesige Familien gegründet und das von ihm bestellte Feld anderen (wie zum Beispiel Gluecifer oder Danko Jones) zur Ernte überlassen hat, fordert er nun seinen Tribut ein. Und auch, wenn er die von ihm selbst angezettelte Revolution verschlafen hat, haben wir unsere Altäre doch nur für ihn gebaut. Die Marschrichtung ist also klar: alle auf die Knie!
Andreas Kohl 9