Narrow Head
Moments Of Clarity
Selbstverständlich kann man es den Texanern auch negativ auslegen, dass sie in die Musik des großen Alternative-Rock-Jahrzehnts derart vernarrt sind, dass sie all ihre Stimmungen und Sounds auf einem Fundament aus Anspielungen und Klingt-wies bauen. Zu ihrer Verteidigung lässt sich sagen, dass Narrow Head nicht die ersten sind, die das tun. Da gibt es eine ganze Peer-Group von Bands – von Superbloom bis Superheaven, von Basement bis Nothing – deren Sounds vornehmlich auf Vorlagen aus den 90ern basiert. Dass es zu so einem Trend kommen würde, ist dem allgemeinen Hang zum Revival geschuldet. Wenn Rival Sons oder Kadavar die 70er zitieren, warum sollten Narrow Head sich nicht an die 90er ranwanzen können? Vor allem, wenn das Ergebnis derart gewinnbringend ist.
Waren ihre Demos noch näher an Quicksand und Helmet, ist gerade das zweite, ausschweifende Album “12th House Rock” die bemerkenswerte Visitenkarte einer Band, die weiß, was sie tut. Mit “The Real” beginnt “Moments Of Clarity”, und es klingt wie “Siamese Dream” im Shoegaze-Schleier: harmonisch, treibend, kraftvoll. Das Gitarrenintro des Titelsongs und andere Tricks und Kniffs in dem Stück entführen es ins Post-Hardcore-New-York der 90er, irgendwo zwischen Walter Schreifels und Handsome. Der “Breakup Song” könnte auch ein verlorenes Stück von “Siamese Dream” sein – nur klingt Jacob Duarte natürlich nicht wie Billy Corgan. Bei “The World” schleicht sich ein wenig My Bloody Valentine in die Effektpalette, im abschließenden “Soft To Touch” arbeiten Narrow Head mit einem Drum-Computer, was man so ähnlich von The Jesus And Mary Chain kennt. Das vorab ausgekoppelte “Gearhead” ist – solange nicht gesungen wird – ganz nah dran an den Deftones, was den malmenden Groove, die brütenden Gitarren und die dräuende Aggressivität angeht. Dann gibt es im weiteren Verlauf etwas Geschrei, was den Song stärker im Kosmos seiner Vorbilder verankert. Passenderweise rückt das folgende “Flesh & Solitude” davon gar nicht ab. Die Deftones anno “Around The Fur” dringen auch hier aus jedem Drumbeat, quillen aus jeder Melodieschicht. Etwas früher gehen “Trepanation” und “Fine Day” bereits in diese Richtung.
Im Gegensatz zum Vorgänger, den die Band vornehmlich in Eigenregie produziert hat, gibt Sonny DiPerri (Portugal. The Man, Diiv) als Aufnahmeleiter, Produzent und Mixer in Personalunion den zwölf Stücken einen nuancierteren, weniger verschwommenen Sound. Das tut Narrow Head gut.
Das steckt drin: Deftones, Smashing Pumpkins, Superheaven
weitere Platten
12th House Rock
VÖ: 28.08.2020
Satisfaction
VÖ: 24.07.2016