Mudhoney
Plastic Eternity
Dass bei Mudhoney Großes dräut, ahnte man bereits beim Single-Vorboten “Almost Everything“. Von den diversen Song-Layouts, die sie im Laufe ihrer Karriere an die Wand des Proberaums getackert haben mögen, war dieser Topos lange nicht so einnehmend belegt: hypnotisch wie ein Acid-Trip an einem düsteren Herbsttag 1968, Dan Peters’ solitärer Groove noch ein Stück zurückgelehnter, das Arrangement als Jam getarnt, dabei aber in Sachen Dramaturgie konsequent ausformuliert, wie ein Verbindungsstück zwischen “Here Comes Sickness” und “Check-Out Time”.
Überhaupt ragt der Vibe auf dieser neuen Platte tief in die wilden Anfänge der Band. “Plastic Eternity” durchzieht eine ungebrochene Jugendhaftigkeit, die auf vergangenen Alben einem gewissen Altherrentum gewichen war. Um nicht falsch verstanden zu werden: Auch die staatsmännische Erbverwaltung auf ihren jüngsten Werken bot jene ewige Zuneigung garantierende Energie, die den meisten Weggefährten nach so einer jahrzehntelangen Ochsentour möglicherweise abgeht. Mudhoneys Standbein mag in den Gelenken etwas knirschen, Akustiksongs, Neubearbeitungen oder andere Redundanzen jedoch haben Mark Arm & Co. immer noch nicht nötig. Gut so.
Stattdessen haben sie sich neun Tage ins Crackle & Pop!-Studio in Seattle zurückgezogen und unter der Regie von Johnny Sangster, der als erster Außenstehender überhaupt auch am Songwriting beteiligt war, alles an Ideen zusammengeschraubt, was sich in den vergangenen drei Jahren so angesammelt hatte. Vielleicht ist das auch eines der Geheimnisse hinter all dieser störrischen Energie: Sie muss raus – und zwar schnell. Das Ergebnis ist ein fulminantes Spätwerk, mit dem wohl größten Facettenreichtum, den es je aus dem Hause Mudhoney zu hören gab.
Das Grunge-Banner wird mit Stompern à la “Move Under” und “Here Comes The Flood” gehisst, abseits davon putzt sich Sergeant Pepper vor Erstaunen den Staub von den Epauletten. “Cascades Of Crap” ist Americana auf Garage Rock getrimmt, “Flush The Fascists” und “Plasticity” verweisen auf die alten Helden Devo. “Tom Herman’s Hermits” klingt nach Shoegaze und “Cry Me An Atmospheric River” huldigt Jimi Hendrix, einem der zahlreichen großen Söhne ihrer Heimatstadt. Arms Erklärung für den langen Atem der Band ist so simpel wie einleuchtend: “Wir mögen uns und wir mögen es, zusammen in einer Band zu sein.” Es kann so einfach sein. Fazit: Mudhoneys bestes Album seit “Every Good Boy Deserves Fudge“. Das soll ihnen erstmal einer nachmachen.
Das steckt drin: Pabst, The Stooges, Treepeople
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