Schönheit in der Dunkelheit
Politisch endete 2024 Anfang November mit einem doppelten Knall. Nach 2016 wurde Donald Trump wieder zum Präsidenten der USA gewählt. Und während man noch mit Besorgnis und/oder Galgenhumor über den Atlantik blickte, war das Schicksal der Ampelregierung bereits besiegelt. Düstere Zeiten mal wieder, doch: “Es ist wichtiger denn je, sich die Hoffnung zu bewahren, wo es nur geht”, wie es einmal richtigerweise in unserer Strecke der 50 besten Alben des Jahres heißt. Darin und drum herum geht es um Reunions, Auflösungen, Newcomer, die Rückkehr des Britpop, großartige Soloalben verdienter Persönlichkeiten und mehr. Eines wird im Rückblick jedenfalls klar: Es gibt sie noch, die Leute, die im Dunkel nach Lichtblicken suchen – das bestätigt uns im Interview nicht zuletzt Conor Curley von Fontaines D.C., einer der Bands des zurückliegenden Jahres.
Grafik: Tommy Stumpe
Inhalt
Von warmen Worten über Faustschläge bis zur Weltpolitik: Unsere Momente des Jahres 2024 versammeln bekannte Köpfe der VISIONS-Geschichte neben Schlauchbooten, bei Comebacks oder während des Schlussakkords.
2024 war das Jahr, in dem Britpop mit voller und ungewohnter Wucht zurückkehrte. Alte Veteranen toppen die Charts, andere werden in der Wüste ignoriert. Im Modern Pop entwickelt sich das 90er-Genre zu einer Marke.
Sie touren wieder. Oder schon eine Weile, haben aber erst 2024 ein Album aufgenommen. Oder sie haben schon aufgegeben, doch unerwartet Unterstützung bekommen. Über fünf Bands, die dieses Jahr zurückkehrten.
2024 begeisterten drei mutige Alben von Künstlerinnen, die sich auf ihrem Lebenswerk ausruhen und sich allerhöchstens mal für ein Feature auf den Platten befreundeter Musiker die Ehre geben könnten: Kim Gordon, Beth Gibbons und Kim Deal.
Wo die einen wiederkehren, machen die anderen den Kehraus. Martin Burger über fünf Bands, die wie NOFX 2024 aufgehört haben. Oder ihre Auflösung steht bereits fest und sie befinden sich auf Abschiedstour.
Mit Steve Albini ist im Frühjahr eine jener Persönlichkeiten gestorben, die Noise- und Alternative Rock und alle angrenzenden Genres womöglich stärker beeinflusst haben als die meisten anderen im VISIONS-Kosmos.
Mag die Welt nicht allzu viele Gründe bieten, freudig in die Zukunft zu blicken, so gibt es doch eine Sache, die hemmungslose Vorfreude entfacht: neue Bands und neue Musik. Hier sind fünf Hoffnungsträger:innen für 2025.
52 Wochen hat ein Jahr – und für fast jede lässt sich auf den folgenden Seiten die passende Platte finden. Ob man sich nun von jemandem für immer verabschieden muss oder gerade erst ganz neu kennengelernt hat, Musik bietet immer den passenden Soundtrack dafür. So wie im “echten” Leben gilt auch für die folgende Top-50 des Jahres, dass man von manchen nie wieder hören wird, weil es ihr letztes Album ist, andere entdeckt man erst jetzt für sich, weil sie gerade erst debütiert haben, und die nächsten waren zuvor so lange weg wie der eine gute Freund, mit dem man während der Schulzeit Bank und Brote geteilt hat. Und wieder andere hatten es auch 2024 eilig, schnell das nächste Album rauszuhauen. Denn Musik fängt immer den Moment ein, sie trägt einen Zeitstempel, wirklich große Alben funktionieren aber auch darüber hinaus. Sie passen auch noch in 20 Jahren zu einem wie ein Lieblingspullover.
Es ist Anfang Dezember, auf dem Tourplan von Fontaines D.C. stehen noch vier Gigs. Dann ist zumindest kurz Pause, bevor die Reise 2025 mit Touren in Asien und Lateinamerika weitergeht. Nach dem Soundcheck für die Show in Leeds nimmt sich Conor Curley Zeit für ein Interview. In einem seelenlosen Raum unterhalb der Halle muss der Gitarrist der Band immer mal wieder für den Bewegungsmelder herumwedeln, um nicht um Dunkeln zu sitzen.
Im Beatsteaks-Hauptquartier in Berlin treffen wir Bassist Torsten Scholz, um mit ihm Song unserer 50 besten Platten des Jahres zu hören. Er behauptet direkt, eh nichts zu kennen, das stellt sich aber als Quatsch heraus.
“Romance” von Fontaines D.C. ist ein Parforceritt durch die Paradoxien der modernen Existenz. Das Albumcover, eine eindringliche Illustration von Lulu Lin, verkörpert diese Dualität in ihrer eindrucksvollsten Form.